Auf dem Weg zur fischfreundlichen Wasserkraft
EU-Projekt "FIThydro" untersucht Effekte von Wasserkraftwerken auf die Umwelt
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In dem europaweiten Projekt "FIThydro" hat das Ecologic Institut zusammen mit Forschungs- und Industriepartnern bestehende Wasserkraftwerke untersucht. Darauf aufbauend haben die Projektpartner neue Bewertungsmethoden und Technologien entwickelt, etwa einen Gefährdungsindex für Fischarten, Simulationen der Fischwanderung und ein frei verfügbares Entscheidungsfindungs-tool für die Kraftwerksplanung. Das Ziel: die Wasserkraftnutzung fischfreundlicher und ökologischer gestalten. Die Projektergebnisse sind online verfügbar.
Wasserkraft ist eine der wichtigsten und meistgenutzten regenerativen Energiequellen weltweit. Der große Vorteil: Anders als Windkraft und Sonnenenergie unterliegt sie nur geringen wetterbedingten Schwankungen. Allerdings ist der Einsatz von Wasserkraftwerken auch mit großen Eingriffen in die Umwelt verbunden. Flüsse werden aufgestaut, die aquatischen Lebensräume verändert und Fische können durch die Turbinen, Überfallwehr oder Gitter tödlich verletzt werden.
Dass diese negativen ökologischen Effekte so gering wie möglich ausfallen, dafür soll unter anderem die Europäische Wasserrahmenrichtlinie sorgen. Allerdings erfüllen vor allem ältere Wasserkraftwerke die neuen Anforderungen dabei oft nicht und müssen für eine erneute Zertifizierung nachgerüstet werden. Mit welchen Maßnahmen dies auch ökonomisch zu bewältigen ist, muss dabei für jedes Kraftwerk individuell entschieden werden. "Es ist wichtig, existierende Lösungen an die standortspezifischen Gegebenheiten jedes Kraftwerks anzupassen", erklärt Prof. Peter Rutschmann vom Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der TUM und Koordinator des Projektes.
Untersuchungen an Kraftwerken in Europa
Eine Arbeitsgruppe aus 26 europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen hat in dem vierjährigen EU-Projekt "FIThydro, Fishfriendly Innovative Technologies for Hydropower", kurz "FIThydro", die Auswirkung der Wasserkraftwerke auf die Ökosysteme und besonders auf Fische an 17 Standorten in acht Ländern untersucht. "Uns war wichtig, dass diese Standorte die Vielfalt der geografischen, hydromorphologischen und klimatischen Bedingungen wiederspiegeln, damit unsere Ergebnisse auf unterschiedliche Wasserkraftwerke in Europa anwendbar sind", erklärt Rutschmann.
Die Projektpartner untersuchten an den Teststandorten und in Laboren zunächst existierende Methoden, Technologien und Ansätze zur Bewertung von Auswirkungen der Kraftwerke sowie mögliche Schutzmaßnahmen. "Wir wollten feststellen, wo es noch Wissenslücken gibt und wie wir diese Werkzeuge weiterentwickeln können", sagt Rutschmann.
Gefährdungsindex für Fischpopulationen
Ein Beispiel ist der Gefährdungsindex für europäische Fischarten durch die Wasserkraftnutzung, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei und des TUM-Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie für das Projekt entwickelten. Sie sammelten dazu zunächst Daten wie Lebensdauer, Reproduktionszahl und Wanderverhalten der Fische sowie deren Anforderungen an den Lebensraum, zum Beispiel die Temperatur und Fließgeschwindigkeit des Gewässers. Mit Hilfe dieser Daten wurden Toleranzschwellen für die Auswirkungen von Wasserkraftwerken auf einzelne Fischart ermittelt. Diese können von Wasserkraftwerksbetreiber dazu genutzt werden, Schutzmaßnahmen zu evaluieren und zu planen.
Entscheidungshilfen für Wasserkraftwerksbetreiber
Neben der Risikoanalyse und -bewertung der Kraftwerke beschäftigte sich der zweite Teil des Projekts mit möglichen Maßnahmen, um die Kraftwerke nachzurüsten – und mit Entscheidungshilfen für die Betreiberinnen und Betreiber alter sowie Planerinnen und Planer neuer Wasserkraftwerke. "Diese Entscheidungen sind sehr komplex", sagt Rutschmann. "Das Kraftwerk und die standortspezifischen Bedingungen spielen eine Rolle, aber es müssen auch die gesetzlichen Vorgaben auf nationaler und EU-Ebene eingehalten werden. Für den Betreiber ist es natürlich wichtig, dass die Maßnahmen effektiv und kosteneffizient sind."
Das Ecologic Institut hat die verschiedenen Projektaktivitäten zur Entscheidungsfindung koordiniert. In diesem Zusammenhang hat es die politische Anforderungen auf EU- und nationaler Ebene für die Planung von Minderungsmaßnahmen in Wasserkraftwerken ausgewertet. Das Ecologic Institut hat auch über Workshops den Austausch zwischen FIThydro-Experten und anderen Interessengruppen bzgl. offener Fragestellungen, ausstehendem Forschungsbedarf und dem Mehrwert von FIThydro Methoden und Ansätzen zur Bewertung von Auswirkungen und zur Planung fischfreundlicher Wasserkraftwerke ermöglicht. Darüber hinaus haben das Ecologic Institut und andere FIThydro-Wissenschaftler öffentliche Meinungen über Wasserkraft und Wasserkrafttechnologien in deutschen, portugiesischen, französischen und schwedischen Fallstudien untersucht. Zu den wichtigsten Schlussfolgerungen gehörte, dass das Bewusstsein für Minderungsmaßnahmen häufig fehlt. Sensibilisierungskampagnen, die den vielfältigen Nutzen ökologischer Maßnahmen fördern, sowie vergleichbare Überwachungsstandards die die Wirksamkeit von Maßnahmen festlegen können die Akzeptanz von Minderungsmaßnahmen in der Öffentlichkeit erhöhen.
Öffentlich zugängliche Onlinetools
Eines der Hauptergebnisse des Projekts ist das "FIThydro Decision Support System", das bei der Planung und Beurteilung von Wasserkraftwerken eingesetzt werden kann. Der Nutzer kann Angaben über den Typ des Kraftwerks, seinen Standort, die Fische, die in den Gewässern leben und andere Besonderheiten in das Onlinetool eingegeben. Unter Berücksichtigung der umweltpolitischen Vorgaben und internationalen Richtlinien errechnet die Software mit diesen Daten den Grad der Umwelt- und Fischgefährdung und empfiehlt Verbesserungsmaßnahmen.
Auch ein Wiki zu dem Projekt ist entstanden. "Es gibt in jedem Land andere Vorgaben, aber die Vernetzung ist noch nicht so gut", sagt Rutschmann. "So ist zum Beispiel oft nicht bekannt, dass es bereits Maßnahmen gibt, die woanders erprobt wurden und als effizient gelten. Wir hoffen, durch das Wiki die Wissensvernetzung zu unterstützen."
Mehr Informationen:
Am Forschungsprojekt "Fishfriendly Innovative Technologies for hydropower (FIThydro)" sind 13 Forschungseinrichtungen und 13 Unternehmen in Deutschland, Belgien, Estland, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Österreich, Portugal, der Schweiz und Spanien beteiligt. Koordiniert wird es am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Universität München (TUM). Das Ecologic Institut ist ein wichtiger Partner dieses Forschungsprojekts, das eines der sieben Arbeitspakete des Projektes leitet. Das Projekt wird mit 7,2 Millionen Euro vom EU-Forschungs- und Innovationsprogramm "Horizont 2020" der Vertragsnummer No 727830 und vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) gefördert.
Kontakt:
Dr. Eleftheria Kampa
Ecologic Institut
Tel: +49 30 86880145
eleftheria.kampa(at)ecologic.eu
info(at)fithydro.eu