Wie soll die künftige Governance für europäische Klima- und Energiepolitik aussehen? Der Vorschlag, den die EU-Kommission Anfang des Jahres vorgelegt hat, wirft diesbezüglich mehr Fragen auf, als dass er Antworten gibt. Dr. Camilla Bausch und Christine Lucha vom Ecologic Institut haben Experten und Expertinnen zu einem Workshop eingeladen, um die Bedeutung des Kommissionsvorschlages mit konkretem Blick auf Strominfrastrukturmaßnahmen zu diskutieren. Die Vortrasgfolien der Redner stehen als Download zur Verfügung.
Vorschlag der Kommission zum 2030 Klima- und Energiepaket
Anfang 2014 hat die EU-Kommission Vorschläge veröffentlicht, wie ein künftiges Klima- und Energiepaket für den Zeitraum bis 2030 aussehen könnte. Teil des Pakets ist ein Erneuerbare-Energien-Ziel auf EU-Ebene, das verbunden wird mit einem Vorschlag für eine neue "Governance". Gemäß letzterer sollen Mitgliedstaaten, basierend auf Leitlinien der EU-Kommission, nationale Energiepläne in Konsultation mit ihren Nachbarstaaten erstellen. Die Pläne sollen dabei auch Infrastrukturvorhaben, z. B. neue Interkonnektoren, umfassen. Darüber hinaus wird im Rahmen der neuen Governance die Stärkung regionaler Ansätze gefordert, etwa durch gemeinsame Entscheidungen zum Bau von Interkonnektoren. Die grenzüberschreitende Kooperation soll Kosteneffizienz und Netzstabilität erhöhen. Im März 2014 hat der Europäische Rat angekündigt, den Politikrahmen für das zukünftige Klima- und Energiepaket bis spätestens Oktober 2014 zu beschließen. In Vorbereitung eines solchen Beschlusses steht das Thema im Juni wieder auf der Rats-Agenda. Offen bleibt, welche Rolle die neue Governance dabei spielen soll.
Bedeutung von grenzüberschreitender Strominfrastruktur
Deutlich wird aber die Bedeutung, die dem Ausbau grenzüberschreitender Infrastruktur zugemessen wird. So soll die EU-Kommission z.B. bis Juni spezifische Ziele vorschlagen, mit denen ein Verbundgrad von mindestens 10% der vorhandenen Stromerzeugungskapazitäten je Mitgliedstaat erreicht werden kann.
Angesichts der offenen Fragen zu Zukunft und Ausgestaltung der neuen Governance hat Ecologic Institut im Rahmen eines Experten-Workshops einen Raum eröffnet, um unter Chatham House Rule Ausgestaltungsoptionen und Implikationen aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren. Der Fokus lag dabei auf grenzüberschreitende Infrastrukturmaßnahmen im Stromsektor.
Herausforderungen und Chancen
Die ca. 20 Teilnehmer aus Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft bereicherten die Diskussion mit vielfältiger Expertise und identifizierten Ansatzpunkte, die weiter untersucht und fortentwickelt werden könnten. Insbesondere wurde deutlich, dass Infrastrukturmaßnahmen derzeit nicht im Fokus der politischen Diskussion zum 2030 Paket stehen, aber essentiell für den Ausbau des Binnenmarktes und der Erneuerbaren Energien sind. Verschiedentlich wurden dabei Planungssicherheit und Akzeptanz von Infrastrukturprojekten in der Bevölkerung als wichtige Herausforderungen identifiziert. Es gibt jedoch kaum Raum für eine Diskussion darüber, welchen Beitrag eine neue Governance hierfür leisten könnte oder inwieweit bestehende Foren und Monitoring-Systeme besser genutzt werden könnten. Einige Teilnehmer hoben hervor, dass eine neue Governance die Chance bieten könnte, nationale Infrastrukturpläne zusammenzudenken um Interessenskonflikte bei grenzüberschreitenden Maßnahmen zu lösen. Auch könnte größere Transparenz und Investitionssicherheit für Projekte geschaffen werden. Allerdings könnte die Governance auch einen erheblichen Koordinationsaufwand bedeuten, sowie Konfliktpotential mit sich bringen. Denn die Grundproblematik - die Fokussierung von Mitgliedstaaten auf nationalstaatliche Interesse und nicht auf europäische Ziele – scheint auch durch eine neue Governance derzeit kaum überwindbar.
Redner: Ingmar Jürgens, Matthias Duwe, Antina Sander, Olaf Ziemann, Matthias Buck, Katharina Klein, Severin Fischer