FCKW, Tschernobyl, Brundtland, Kyoto, Nagoya: zum Einfluss globaler Themen auf die deutsche Umweltpolitikforschung
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- Berlin, Deutschland
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Zur abschließenden Abendveranstaltung der Diskussionsreihe "Vom 'blauen Himmel über der Ruhr' bis zur Energiewende" am 12. Mai 2014 waren die Gäste Prof. Dr. Edda Müller (ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Rats für Nachhaltige Entwicklung), Dr. Hans-Joachim Ziesing (ehem. Abteilungsleiter Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) und Prof. Dr. Meinhard Schulz-Baldes (ehem. Generalsekretär des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen(WBGU)) geladen, um die Beziehung zwischen globalen Ereignissen und deutscher Umweltpolitikforschung zu besprechen. Die wesentlichen Erkenntnisse des Abends waren der überraschend frühe internationale Einfluss auf deutsche Umweltpolitik und die starke Unabhängigkeit der umweltpolitischen Beratungsgremien in Deutschland.
Initiative durch Politik und Druck von außen
Prof. Edda Müller betonte, dass konträr zur geläufigen Meinung die Politik den Anstoß zur deutschen Umweltpolitik gab. Im Bundesinnenministerium (BMI) 1969 von Willy Brandt etabliert, verlagerte sich der Schwerpunkt der Umweltpolitik Mitte der 70er hin zum Umweltbundesamt (UBA). Dieses war damals eine nachgeordnete Behörde des BMIs. Prof. Müller arbeitete in dieser Zeit für beide Institutionen. Sie erklärte die relative Entscheidungsfreiheit des UBAs in den 70ern mit der hohen Auslastung des BMIs durch den Terror der Rote-Armee-Fraktion. Ferner hob Sie für die Schaffung von Institutionen wie dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) und dem UBA die Bedeutung der Vereinten-Nationen-Umweltkonferenz 1972 von Stockholm hervor. Diese habe im Vorfeld der Konferenz neue nationale und internationale Diskussionen zum Thema Umweltpolitik ausgelöst. So spürte die Bundesregierung den "Druck", mit der Schaffung umweltpolitischer Organe auf diese internationale Entwicklung zu reagieren.
Ozon, CO2 und Stockholm vs. Rio
Die wahrlich globalen Themen, waren sich die drei Experten einig, kamen verstärkt erst im Laufe der 80er auf die Bühne. Das Ozonloch in der Atmosphäre und die drohende Gefahr eines unkontrollierbaren Klimawandels durch CO2 waren Probleme, die von der Wissenschaftsgemeinde zur Sprache gebracht wurden und die in der Folge im Fokus internationaler Konferenzen standen. Die wissenschaftlichen Gremien Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und die Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" rückten die globalen Herausforderungen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Politik und Gesellschaft. Prof. Schulz-Baldes betonte eine weitere Veränderung im Diskurs zu Umweltpolitik: Bei der VN-Konferenz 1992 in Rio hob man, anders als in Stockholm 1971, zusätzlich zum Umweltaspekt den Entwicklungsaspekt hervor. Nach Schulz-Baldes sei dies ein Zeichen für die zunehmende Beachtung der menschlichen Komponente des Klimawandels gewesen.
Klimawissenschaft: klares Problem, unklare Problemlösung?
Die Problemdiagnose der Klimawissenschaftler war deutlich: Um katastrophale Folgen zu vermeiden, durfte die globale Durchschnittstemperatur nicht weiter als 2 Grad ansteigen. Prof. Schulz-Baldes zufolge stammte die "Leitplanke" der 2 Grad vom WBGU. Diese 2 Grad wurden dann in der Folge von der internationalen Gemeinschaft fälschlicherweise als "Ziel" aufgegriffen. Die Diagnose selbst allerdings verfehlte nicht ihre Wirkung, weltweit diskutierte man über Maßnahmen gegen Klimawandel. Doch die Expertenrunde stellte fest, dass der Entwurf von politisch akzeptierten Gegenmaßnahmen sich für Wissenschaftler als weitaus frustrierender gestaltete als die Diagnose. Dr. Ziesing sprach von "großer Frustration" seitens der Wissenschaftler. Prof. Schulz-Baldes brachte dies mit den Worten "Wissenschaft macht keine Politik" auf den Punkt.
Abschließend diskutierte die Expertenrunde folgende Fragen aus dem Publikum:
- Welchen Einfluss nahmen französische Aktivisten auf die Anti-AKW-Proteste bei Wyhl?
- Haben reiche Länder bei internationalen Verhandlungen einen Wissensvorsprung?
- Wie steht Deutschland mit seinen Umweltberatungsinstitutionen im internationalen Vergleich da?
- Wie kann wissenschaftliche Politikberatung den politischen Entscheidungsträgern effektiver helfen?