Chinas nächster Fünfjahresplan – Auf dem Weg zu einer grünen Revolution?
- Veranstaltung
- Datum
-
- Ort
- Berlin, Deutschland
- Aktive Rolle
-
Kai Schlegelmilch (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V.)Miriam Schröder (SiNERGi Erneuerbare Energien GmbH)Gudrun Wacker (Stiftung Wissenschaft und Politik)
Die Volksrepublik China spielt mit ihrem rasanten Wirtschaftswachstum und ihrem ebenso rasant wachsenden Energiehunger eine zentrale Rolle in der internationalen Klimapolitik. Das Schwellenland ist inzwischen der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen. China hat dem Klimawandel zumindest auf nationaler Ebene bereits den Kampf angesagt und eine Reihe von Maßnahmen zu Energieeffizienz, Energieeinsparung und Erneuerbaren Energien umgesetzt. So konnte China (nach eigenen Angaben) seine Energieintensität gemessen am Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen fünf Jahren um 20% senken. Dies entspricht den Vorgaben des letzten Fünfjahresplans. In keinem anderen Land weltweit werden mehr Windenergieanlagen und Solarzellen produziert. Doch trotz dieser Erfolge und den - im globalen Vergleich - immer noch moderaten Pro-Kopf-Emissionen steigen der absolute Energieverbrauch und die Gesamtemissionen in China weiterhin rasant an. Der kommende Fünfjahresplan - in dem China die Grundsteine für seine volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung für den Zeitraum 2011 bis 2016 festlegt - entscheidet daher, ob es China gelingt vom bisherigen, energie- und emissionsintensiven Wachstum wegzukommen. Inhalt und Umsetzung des neuen Fünfjahresplans waren Thema des Climate Talk am 28. März 2011.
Eingeleitet wurde die Diskussion durch Impulsreferate von Kai Schlegelmilch (BMU/FÖS), Miriam Schröder (SiNERGi) und Gudrun Wacker (SWP).
Kai Schlegelmilch (BMU/FÖS) stellte zunächst die Eckpfeiler des Fünfjahresplans vor, der einige umwelt- und wirtschaftspolitische Zielsetzungen enthält. U.a. soll das Wirtschaftswachstum auf 7 % pro Jahr begrenzt und die Energieeffizienz der Industrie um 19,1% gesteigert werden. Zum ersten Mal sollen zur Erreichung dieser Ziele auch marktwirtschaftliche Instrumente wie der Emissionshandel und Energiesteuern eingeführt werden, auch wenn es sich zunächst um eine Testphase in einigen Provinzen handelt. Außerdem soll der Anteil der nicht-fossilen Energien bis 2015 auf 11,4 % des Primärenergieverbrauchs ansteigen. Kai Schlegelmilch wies abschließend darauf hin, dass bei der Umsetzung dieser Ziele in der Praxis noch viele Hürden zu überwinden seien, insbesondere bei der Erweiterung der Stromnetze.
Miriam Schröder (SiNERGi) beleuchtete in ihrem Vortrag Chinas Emissionsminderungsziele. Laut Fünfjahresplan soll die CO2-Intensität der chinesischen Wirtschaft bis 2015 um 17% gegenüber 2010 abgesenkt werden. Dies stehe im Einklang mit Chinas Verpflichtung unter dem Copenhagen Accord, die CO2-Intensität bis 2020 um 40-45% zu reduzieren. Eine Obergrenze für die CO2-Emissionen oder den Energieverbrauch gebe es dagegen nicht, diese sei auch auf absehbare Zeit kaum vorstellbar. Zur Umsetzung der Klimaschutzziele sollen Energieeffizienzmaßnahmen, erneuerbare Energien und CCS dienen. Zum ersten Mal plane China zudem, detaillierte Emissionsinventare zu erstellen. Im nächsten Schritt müssten die Ziele nun auf die Regionen herunter gebrochen werden. Die Klimapolitik stellt die Gouverneure in den Regionen vor einen Zwiespalt: einerseits misst sich ihr Erfolg auch daran, ob sie in der jeweiligen Region ihre Klima- und Energieziele erreicht haben; andererseits brauchen sie fortgesetztes wirtschaftliches Wachstum, um ihre übrigen sozialen und wirtschaftlichen Ziele zu erreichen.
Gudrun Wacker (SWP) stellte heraus, dass die chinesische Führung mit den Maßnahmen des Fünfjahresplans in erster Linie auf Energiesicherheit und weniger auf Klimaschutz abzielt. Die Maßnahmen seien als Teil einer größeren Diversifizierungsstrategie bei Energiequellen und Herkunftsländern anzusehen, die Chinas Versorgung mit Energieressourcen sichern sollen. Zum anderen strebe China die Dominanz des Umwelttechnologiemarktes an, um den Anteil an High-Tech-Gütern in der Produktion zu konsolidieren. Oberstes Ziel der chinesischen Führung sei die Stabilität im Land, nicht zuletzt durch stabiles Wirtschaftswachstum. Im Zweifel würden die Umweltziele dem Stabilitätsziel wieder untergeordnet. Gudrun Wacker dämpfte zudem die Hoffnungen auf einen Vormarsch marktwirtschaftlicher Instrumente in China. Es sei auch weiterhin mit massiven Subventionen für staatliche Unternehmen zu rechnen.
In der anschließenden Diskussion wurde u.a. erörtert, welches Gewicht dem Fünfjahresplan in der Praxis zukommt. Die Referenten führten aus, dass die Zielerreichung grundsätzlich hohe Priorität habe, dass es aber auf lokaler Ebene auch zu Konflikten zwischen einzelnen Zielen kommen könne - bei denen üblicherweise das Wirtschaftswachstum die anderen Ziele übertrumpft. Erschwerend hinzu kommen Kompetenzstreitigkeiten bei der lokalen Umsetzung, z.B. zwischen Staatunternehmen und Lokalregierungen, erschwert. Erfolgreiche Ansätze seien dennoch erkennbar, z.B. die Förderung der Solarenergie, das Programm zur Schließung der 1000 ineffizientesten Fabriken sowie die Einrichtung von Niedrigemissionszonen. Die ausgewählten Regionen und Städte sollen eigene Pläne zur Förderung von klimafreundlichen Technologien und zur Verhaltensänderung erarbeiten, die dann bei Erfolg auf andere Gebiete Chinas ausgeweitet werden können. Zur Frage nach der Umsetzung des Fünfjahresplans erläuterten die Experten, dass dieser vor allem den groben Rahmen vorgebe. Im Anschluss arbeiteten die Ministerien detaillierte Programme für einzelne Bereiche aus und legten die Provinzen regionale Pläne vor, die dann von der Zentralregierung begutachtet werden.
Im Anschluss an die Diskussion wurde das Gespräch in einem naheliegenden Restaurant in informeller Atmosphäre fortgeführt. Der Climate Talk ist ein regelmäßig in Berlin stattfindender jour fixe zu aktuellen politischen, rechtlichen und ökonomischen Fragen des Klimaschutzes. Der Climate Talk wird veranstaltet von Dr. Camilla Bausch und Benjamin Görlach für das Ecologic Institut und Dr. Susanne Dröge für die Stiftung Wissenschaft und Politik.