Rio plus 20 – Neue Impulse für die internationale Klimapolitik?
- Veranstaltung
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- Ort
- Berlin, Deutschland
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Dr. Karsten Sach (Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety)Dr. Thomas Koenen (BDI - Federation of German Industry)Daniel Mittler (Greenpeace)
Der 21. Climate Talk am 25. Juni 2012 beschäftigte sich mit der Frage, welche Impulse von der Rio+20-Konferenz für die internationale Klimapolitik ausgehen. Die Diskussion bei der vom Ecologic Institut in Kooperation mit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) organisierten Veranstaltung eröffneten Dr. Karsten Sach (BMU), Dr. Thomas Koenen (BDI) und Daniel Mittler (Greenpeace), die alle gerade frisch aus Rio zurückgekehrt waren.
Vor 20 Jahren wurde beim "Weltgipfel" in Rio de Janeiro zum ersten Mal das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft international proklamiert. Der Gipfel 1992 war ein Meilenstein der internationalen Umweltpolitik und des globalen Klimaschutzes. So wurde damals die Klimarahmenkonvention unterzeichnet, die bis heute der Grundpfeiler der internationalen Klimapolitik ist. Zwei Jahrzehnte später fand vom 20. - 22. Juni 2012 am selben Ort eine Folgekonferenz für nachhaltige Entwicklung statt. ZweiThemen stand die Umsetzung der lange beschlossenen Nachhaltigkeitspolitik im Fokus, insbesondere der Übergang zu einer grünen Wirtschaft ("Green Economy") und die Reform des institutionellen Rahmens für eine nachhaltige Entwicklung.
Beim Climate Talk standen die klimapolitisch relevanten Aspekte der Konferenz im Vordergrund.
Dr. Karsten Sach fasste die konkreten Ergebnisse der Konferenz zusammen und bewertete sie vor dem Hintergrund der globalen politischen und umweltpolitischen Herausforderungen. Er verwies insbesondere auf die Aufwertung des Konzepts der Green Economy in der UN-Nachhaltigkeitsdiskussion. Dr. Sach erörterte weiter Aspekte der institutionellen Stärkung der UN Umweltpolitik. Schließlich erläuterte er das von der EU eingebrachte Capacity Development Scheme. Weiterhin unterstrich Herr Sach die Bedeutung der sich global verschiebenden Machtkonstellationen für derartige Konferenzen, bei denen Schwellenländer wie Brasilien mit einem neuen Selbstbewusstsein in den Verhandlungen auftreten würden. Dass auf dem Gipfel am Rande der Verhandlungen viel über die internationale Klimapolitik gesprochen wurde, wertete Herr Sach als ein gutes Zeichen. So wurde die Konferenz auch genutzt, um die Durban-Allianz zwischen EU und wichtigen Entwicklungsländern zu stärken und weiterzuentwickeln.
Daniel Mittler von Greenpeace zeigte sich insgesamt sehr enttäuscht von den Verhandlungsergebnissen. Greenpeace habe die Konferenz aber explizit nicht als Klimakonferenz gesehen, sondern als eine viel breitere Nachhaltigkeitskonferenz. Deshalb habe Greenpeace vor und auf der Konferenz versucht, die öffentliche Debatte auch auf die anderen wichtigen Themen zu lenken, wie z.B. auf die Diskussion um das brasilianischen Waldschutzgesetz und den Schutz der Hohen See. Im Ergebnis hätte die Konferenz trotz guter Ansätze im Vorfeld die notwendigen Ergebnisse nicht geliefert. Es gebe Parallelen zu den Klimaverhandlungen in Kopenhagen 2009. Auf diesem Gipfel sei auch viel gewollt, aber nicht viel erreicht worden. Für den Klimaschutz sei festzuhalten, dass die Ziele von 1992 im Grunde noch einmal bestätigt wurden. Dies stärke auch die Durban-Plattform. Ein großes Thema bleibe die Diskussion um das Verständnis des Prinzips der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung ("common but differentiated responsibility").
Herr Dr. Koenen vom BDI ging vor allem auf die Rolle der Privatwirtschaft in den Verhandlungen ein. Der BDI habe vor allem die Interessen der deutschen Wirtschaft auf dem Gipfel vertreten. Viele Nachfragen habe es zu der deutschen Energiewende und der Rolle der Privatwirtschaft gegeben. Der Austausch und das Networking waren in Rio jedoch erschwert durch die räumliche Trennung der verschiedenen Gruppierungen am Veranstaltungsort. Die verschiedenen Foren für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft lagen oft mehrere Stunden voneinander entfernt. Insgesamt habe sich auch der BDI bessere Ergebnisse erhofft. Die UN-Konferenzen hätten sich insgesamt trotz der Misserfolge der letzten Jahre nicht selbst überlebt, denn sie seien alternativlos. Auf die sich verändernden Macht- und Akteurskonstellationen in internationalen Verhandlungen wie Rio müsse man sich weiterhin einstellen. Ein Beispiel sei Brasilien, das sich mit einem ganz neuen Selbstbewusstsein gezeigt habe.
In der anschließenden Diskussion vertieften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Analyse des schlechten Verhandlungsergebnisses sowie die Bedeutung der Konferenz für den Klimaprozess. Insgesamt wurden die Ergebnisse des Gipfels - bzw. der Mangel an Ergebnissen - bedauert und als unzureichend kritisiert. Der Gipfel hätte vielmehr noch einmal die Schwächen des internationalen Prozesses aufgezeigt und die Grenzen des Multilateralismus vor Augen geführt. Die derzeitige Akteurskonstellation aus aufstrebenden Schwellenländern, einer EU mit erheblichen internen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, und Skepsis bis hin zu offener Ablehnung in den USA, mache es wenig wahrscheinlich dass in der näheren Zukunft ein belastbarer Konsens zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen auf UN-Ebene entsteht. Man hoffe nun auf neue Impulse von anderen Akteuren und neuer Konstellationen zwischen diesen Akteuren. Aufgrund der derzeitigen Dynamik in den verschiedenen nationalen Interessen und auf Seiten von NGOs, Wirtschaft, weiteren gesellschaftlichen Gruppen gebe es Potential für neue Partnerschaften und Allianzen. Kontrovers diskutiert wurde, ob der klassische Nord-Süd-Konflikt für das schlechte Verhandlungsergebnis verantwortlich sei. Auf diesen würden sich die Schwellen- und Entwicklungsländer berufen ("common but differentiated responsibilities"), obwohl sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren signifikant verändert hätten und der Norden in einer Finanz- und Wirtschaftskrise stecke. Es wurde auch die Meinung vertreten, dass sich das ursprüngliche Rio-Verständnis bereits neu definiert und an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst hätte; der Rio+20-Gipfel sei aber auf die alte Rollenverteilung zurückgefallen und daher als Rückschritt aufzufassen. Ein neuer, umfassender Deal als Grundlage für den Rio-Verhandlungsprozess müsse sich langfristig etablieren.
Nach der Veranstaltung wurde die angeregte Diskussion in entspannter Atmosphäre in einem nahegelegenen Restaurant fortgesetzt.