The Precautionary Principle in the Law of the Sea
Modern Decision Making in International Law
- Publikation
- Zitiervorschlag
Marr, Simon 2003: The Precautionary Principle in the Law of the Sea - Modern decision Making in International Law. [Publications on Ocean Development 39]. Den Haag/London: Martinus Nijhoff.
In seiner Dissertation untersucht Dr. Simon Marr, Jurist bei Ecologic Legal, das Vorsorgeprinzips im Seevölkerrecht. Hauptanliegen der Studie ist es, dessen Status als Norm des Völkergewohnheitsrechts unter Berücksichtigung struktureller und prozessualer Besonderheiten zu klären.
Die Abhandlung untersucht das Vorsorgeprinzip im Seevölkerrecht. Das Vorsorgeprinzip ist ein im internationalen sowie nationalen Umweltrecht mittlerweile weit verbreitetes Rechtsprinzip, dass inhaltlich, aber auch strukturell verschieden ausgestaltet sein kann. Zum Beispiel wird es in den verschiedensten Bereichen wie z.B. Gesundheit, Umweltschutz oder nachhaltige Entwicklung teils als Strukturprinzip, teils als rechtssatzförmiges Prinzip angewendet.
Trotz einer Vielzahl von internationalen sowie nationalen Umsetzungen und Anwendungen ist der Inhalt und Status des Vorsorgeprinzips im Völkerrecht nach wie vor umstritten. Hauptziel der o.g. Abhandlung ist es somit, den Status des Vorsorgeprinzips als Norm des Völkergewohnheitsrechts zu klären. Zum anderen werden in verschiedenen Bereichen strukturelle Besonderheiten des Vorsorgeprinzips – wie z. B. im Tatbestand und in der Rechtsfolge – oder prozessuale Besonderheiten aufgezeigt und analysiert.
In der Dissertation werden zuerst allgemeine theoretische Erwägungen des Vorsorgeprinzips abgehandelt (Kapitel 1-4). Sodann wird dessen Umsetzung in den folgenden fünf Bereichen untersucht (Kapitel 5-8): Pollution to the Marine Environment (Meeresverschmutzung), Marine Biodiversity (marine Artenvielfalt), Dumping and Incineration (Meeresverschmutzung durch Einbringen und Verbrennung), Conservation and Management of Living Marine Resources (Bewahrung und Bewirtschaftung der lebenden Meeresresourcen), Transboundary Movements of Radioactive or Hazardous Substances (Grenzüberschreitende Transporte radioaktiver oder gefährlicher Substanzen zur See). Bei der Untersuchung der sogenannte "Staatenpraxis" in den jeweiligen Bereichen, werden die Besonderheiten hinsichtlich der Rechtsfolge und des Tatbestandes des Vorsorgeprinzips aufgezeigt und analysiert. Soweit vorhanden, werden hierbei zunächst die Ausgestaltungen des Vorsorgeprinzips in nicht bindenden internationalen Erklärungen sowie in bindenden Übereinkommen untersucht. Sodann wird untersucht, wie das Vorsorgeprinzip in der internationalen sowie nationalen Gerichtsbarkeit bislang angewendet wurde. Zudem wird die Umsetzung in den jeweiligen nationalen Gesetzen teilweise rechtsvergleichend untersucht.
Schließlich wird anhand der aufgezeigten Staatenpraxis analysiert (Kapitel 9), ob sich das Vorsorgeprinzip als eine Norm des Völkergewohnheitsrechts etabliert hat. Zu guter Letzt werden Schlussfolgerungen der Abhandlung dargelegt (Kapitel 10).
Wesentliche Ergebnisse
Das wesentliche Ergebnis der o. g. Abhandlung ist, dass sich das Vorsorgeprinzip innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte von einem ursprünglich politischen Leitprinzip hin zu einer Norm des Völkergewohnheitsrechts in den Bereichen Meeresverschmutzung und Erhaltung und Bewirtschaftung von Lebenden Meeresressourcen entwickelt hat. Es wird aufgezeigt, dass das Vorsorgeprinzip als Gewohnheitsrechtssatz in seinem Kerngehalt als Mindeststandard dem Wortlaut des Prinzips 15 der Rio Erklärung entspricht.
Zudem wird aufgezeigt, dass eine im Vordringen befindliche Staatenpraxis die Anwendung des Vorsorgeprinzips auch einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzieht, die zumindest eine Kosten-Nutzen-Rechnung beinhaltet. Unabhängig davon zeigt die Abhandlung auch auf, dass sich in den anderen o.g. untersuchten Bereichen eine besondere Staatenpraxis entwickelt hat. Diesbezüglich wird aufgezeigt, dass eine im Vordringen befindliche Staatenpraxis des Vorsorgeprinzips existiert, die unter anderem beinhaltet, genetisch manipulierte Organismen verdachtsunabhängig einer rigorosen Risikoanalyse zu unterwerfen, Ballastwasser auf Hoher See zu entsorgen, die Einbringung von gefährlichen Substanzen in die See zu unterlassen, ausgediente Bohrinseln an Land zu entsorgen oder die Durchfahrt der Küstengewässer von Schiffen mit radioaktiven Substanzen an Bord von der vorherigen Benachrichtigung oder sogar Autorisierung des Küstenstaates abhängig zu machen.
In prozessualer Hinsicht wird aufgezeigt, dass das Vorsorgeprinzip als Norm des Völkergewohnheitsrechts eine Beweislastumkehr beinhaltet. Danach trägt diejenige Partei, die beabsichtigt, potenziell umweltschädliche Maßnahmen durchzuführen, die Beweislast für die Unbedenklichkeit dieser Maßnahmen. Diesbezüglich wird auch argumentiert, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung des Vorsorgeprinzips als gewohnheitsrechtlicher Rechtssatz auch Auswirkungen auf das einstweilige Anordnungsverfahren nach Art. 290 Abs. 5 Seerechtsübereinkommen haben kann.
Lesen Sie hier die Buchbesprechung der American Society of International Law im Newsletter Issue Nr. 29: October 2003.