Natur und Gesellschaft in der Meeresforschung
Perspektiven interdisziplinärer Zusammenarbeit im Anthropozän
- Publikation
- Zitiervorschlag
Bogusz, T., Holtappels, M., Hodapp, D., Schlüter, A., & Breckwoldt, A. (2024). Natur und Gesellschaft in der Meeresforschung - Perspektiven interdisziplinärer Zusammenarbeit im Anthropozän. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.15044156
Die vom Menschen verursachten Umweltkrisen machen auch vor den Ozeanen nicht halt. Um diesen komplexen Herausforderungen wirksam begegnen zu können, braucht es neue Formen wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Das Positionspapier plädiert für eine strategisch gestärkte Kooperation zwischen Natur-, Technik-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Vorgestellt werden fünf zentrale Entwicklungsbereiche, die künftig den Weg zu einer gesellschaftlich relevanteren Meeresforschung ebnen sollen – von Reformen in der Ausbildung bis hin zur strukturellen Öffnung in die Gesellschaft. Dr. Grit Martinez vom Ecologic Institut, die sich seit vielen Jahren für die Verbindung von gesellschaftswissenschaftlichen Perspektiven aus den Sozial- und Geisteswissenschaften und Umweltforschung engagiert, trug zu diesem Thesenpapier bei.
Wissenschaftskulturen verbinden
Ein zentrales Anliegen des Papiers ist die Herstellung von Anschlussfähigkeit zwischen unterschiedlichen akademischen Kulturen. Natur- und Technikwissenschaften bringen entscheidende Datengrundlagen und systemisches Verständnis ein, während Sozial- und Kulturwissenschaften gesellschaftliche Handlungslogiken, Wertefragen und Perspektiven aufzeigen. Die Kombination dieser Sichtweisen ist essenziell, um die Ursachen und Wirkungen mariner Umweltveränderungen ganzheitlich zu erfassen – und konkrete Lösungen zu entwickeln. Interdisziplinarität wird dabei nicht als bloße Methodenmischung verstanden, sondern als reflektierte Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Professionalisierung durch Ausbildung und Förderung
Die Ausbildung künftiger Forscher:innen sollte gezielt auf interdisziplinäre Herausforderungen vorbereiten. Das Papier fordert Reformen, die schon in der wissenschaftlichen Qualifikation die Grundlagen für eine dauerhafte und professionelle Zusammenarbeit schaffen – auch jenseits klassischer wissenschaftlicher Karrieren. Ebenso braucht es Förderstrukturen, die solche Kooperationen nicht nur zulassen, sondern aktiv ermöglichen: durch passende Ausschreibungen, Budgetierungen für gemeinsame Anbahnungsphasen und interdisziplinär zusammengesetzte Begutachtungsgremien.
Institutionelle Strukturen neu denken
Neben der Ausbildung stehen auch Meeresforschungsorganisationen selbst im Fokus. Um interdisziplinäre Zusammenarbeit nachhaltig zu verankern, sollten Kompetenzen zur Kooperation gezielt innerhalb von Forschungsinstitutionen aufgebaut werden. Diese strukturelle Stärkung fördert nicht nur interne Projekte, sondern auch die transdisziplinäre Zusammenarbeit mit Akteur:innen aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft. Das Ziel: Die gemeinsame Entwicklung von Handlungswissen, das gesellschaftlich anschlussfähig ist – im Sinne einer Wissenschaft, die Impulse für Transformation liefert.
Auf dem Weg zu interdisziplinärer Exzellenz
Das Papier macht deutlich: Interdisziplinäre Meeresforschung ist mehr als ein methodischer Spagat – sie ist ein zentraler Baustein für wirksame Wissenschaft im Anthropozän. Sie erfordert neue Bewertungsmechanismen, die den besonderen Anforderungen solcher Zusammenarbeit gerecht werden, sowie gezielte Investitionen in wissenschaftliche Kooperationskulturen. Damit Wissenschaft nicht nur Wissen produziert, sondern auch dazu beiträgt, die marinen Krisen unserer Zeit gemeinsam mit der Gesellschaft zu bewältigen.