Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz
Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 u. a.
- Publikation
- Zitiervorschlag
Bodle, Ralph und Stephan Sina (2021), Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz. Ecologic Institut, Berlin.
Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2021 das deutsche Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zur Nachbesserung verpflichtet. Der Policy Brief erläutert in verständlicher Weise die Kernaussagen der Entscheidung.
Das seit Ende 2019 bestehende Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) sieht erstmals verbindliche Klimaschutzziele vor. Für den Zeitraum bis 2030 legt es Minderungen der Treibhausgasemissionen um 55 % im Vergleich zu 1990 sowie jährlich sinkende Jahresemissionsmengen für bestimmte Sektoren fest. Abgesehen von der Treibhausgasneutralität bis 2050 konnten sich Klimaschutzziele über 2030 hinaus im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht durchsetzen. Das KSG verpflichtet lediglich die Bundesregierung, im Jahr 2025 für Zeiträume nach 2030 jährlich absinkende Jahresemissionsmengen durch Rechtsverordnung festzulegen.
Eine Reihe von Personen und Umweltverbände halten diese Regelungen für unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen, und hatten Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt.
Das BVerfG entschied u.a.:
- Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch, Leben und Gesundheit aktiv vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Dafür hat der Staat jedoch einen weiten Spielraum, den die Regelungen des KSG einhalten.
- Die Bestimmung zum Umweltschutz in Artikel 20a GG ist zwar kein einklagbares individuelles Grundrecht. Aber sie begründet eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, Klimaneutralität zu erreichen. Dieses Klimaschutzgebot ist justiziabel und begrenzt politische Entscheidungsspielräume. Es hat keinen absoluten Vorrang, rechtfertigt aber Eingriffe in Grundrechte umso mehr, je weiter der Klimawandel fortschreitet
- Das KSG ist insoweit verfassungswidrig, als es Grundrechte der jetzt Lebenden nicht ausreichend für die Zukunft schützt.
- Der Gesetzgeber muss bereits heute den Übergang zu Klimaneutralität so rechtzeitig einleiten, dass die Betroffenen für die Zeit nach 2030 Planungssicherheit haben.