Umweltpolitik für, mit und durch Menschen
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- Ort
- Stuttgart, Deutschland
- Vortrag
Anlässlich des 30. Jubiläums des Umweltministeriums Baden-Württemberg haben Ministerpräsident Kretschmann und Umweltminister Untersteller zusammen mit den Festrednern Prof. Schneidewind (Wuppertal Institut) und Dr. Bausch (Ecologic Institut) einen Blick auf Errungenschaften der Vergangenheit und Herausforderungen der Zukunft geworfen. Auch wenn zurückliegende Aktivitäten zum Teil wichtige Ergebnisse geliefert haben, zeigen gegenwärtige Trends und Prognosen mit alarmierender Deutlichkeit den Bedarf nach weitreichenden Veränderungen in der Art und Weise wie wir leben und wirtschaften.
Unter dem Titel "Unterwegs in Sachen Zukunft" behandelten die Vortragenden internationale, nationale und subnationale Dimensionen vergangener und zukünftiger Umweltpolitiken. Dabei wurde ein spezieller Fokus auf Entwicklungen in Baden-Württemberg gelegt mit dessen weitläufigen Naturräumen und hohem Grad an Industrialisierung.
In ihren Eröffnungsreden betonten Winfried Kretschmann (per Videobotschaft) und Franz Untersteller die Herausforderungen des Klimawandels (und dem damit einhergehenden, notwendigen Wandel im Energie- und Mobilitätssektor), des Verlusts von Biodiversität (und dessen Zusammenhang mit Landwirtschaftspraktiken) und der steigenden Ressourcenknappheit (und die damit verbundenen Notwendigkeit für Effizienz und Recycling).
Mit einem zukunftsgerichteten Blick auf die nächsten 30 Jahre hob Prof. Schneidewind bevorstehende fundamentale Veränderungen hervor. Dazu gehörten die Digitalisierung, die Notwendigkeit nach "Exnovation" statt Innovation (verstanden als Abkehr von schädlichen oder verschwenderischen Technologien), neue Wohlstandsmodelle und der Bedarf an experimentellen und partizipativen Ansätzen für die Fortentwicklung von Politiken.
Dr. Bausch beleuchtete Aspekte der "Umweltpolitik für, mit und durch Menschen" vor dem Hintergrund der Frage "Was kann aus drei Dekaden der Klima- und Energiepolitik gelernt werden?". Ihr normativer Ausgangspunkt war das moralische Prinzip des Philosophen Hans Jonas: "Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden". Für die Analyse des Status Quo bezog sie sich die Forschung von Rockström und Kollegen zu den "planetaren Grenzen" die in vielen Bereichen bereits schon als überschritten gelten, wie etwa bei Klima und Biodiversität. Wir als Menschen leben danach nachweislich über unsere Verhältnisse und müssen entschieden und zügig handeln, um dem oben erwähnten Jonasschen Prinzip zu entsprechen. Da dieses Handeln auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zielt, ist es ein Handeln "für Menschen".
Darauf aufbauend beschrieb Dr. Bausch anhand von Beispielen wie dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000, wie Veränderungen "mit Menschen" gestaltet werden können. Das EEG hat es Bürgern ermöglicht, zu Unternehmern für Erneuerbare Energien zu werden. Dies wiederum wurde zu einem entscheidenden Baustein für grundlegende Veränderungen des Stromsektors und des nationalen Energiemixes. Desweiteren führte Dr. Bausch die erfolgreiche Klimakonferenz 2015 in Paris als Beispiel an, bei der die französische Präsidentschaft den Beitrag nicht-staatlicher Akteure als "vierte Säule" der Verhandlungen definierte. Diese neue Säule mit ihren Beiträgen und Verpflichtungen von Städten, Bürgern, Künstlern, Wirtschaft und Weiteren war und ist ein wichtiges Element für den Erfolg des Paris-Abkommens.
Doch nicht alle Veränderungsprozesse laufen harmonisch und kooperativ. Mitunter werden Politiker und Wirtschaft erst durch Bürger und Zivilgesellschaft zum Handeln bewegt. Als Beispiele der Umweltpolitik "durch Menschen" nannte Dr. Bausch zwei Fälle aus Baden-Württemberg: Zum einen die Anti-Atomkraft-Bewegung in Whyl in den 70ern, die nicht nur den Bau eines Atomkraftwerkes verhinderte, sondern auch deutschlandweit und über die Grenzen hinweg Zivilgesellschaft inspirierte und außerdem zur Gründung eines Think Tanks im Bereich der kritischen Umweltforschung führte. Als zweites Beispiel beleuchtete Dr. Bausch den Fall der "Energie-Rebellen" von Schönau. In dem Bestreben, sich von nuklearer Energie unabhängig zu machen, kauften diese – entgegen aller Erwartungen erfolgreich – das lokale Stromnetz und entwickelten sich zu einem der prägenden unabhängiger Anbieter für Erneuerbaren Strom.
Zusammenfassend betonte Dr. Bausch die Bedeutung, die Vergangenheit zu kennen, um die vielversprechendsten Transformationspfade für die Zukunft zu identifizieren. Wandel und Trans-formation bauten häufig auf Aktivitäten und Beiträgen vieler Menschen mit sehr verschiedenen Motivationen auf. Erfolg sei dabei nicht nur das Ergebnis von Hartnäckigkeit und der Bewältigung von Schwierigkeiten, sondern auch grenzüberschreitend inspirierend.
Nach diesen Ausführungen diskutierten Dr. Bausch, Franz Untersteller, Dr. Brigitte Dahlbender (BUND), Dr. Erwin Vetter (erster Umweltminister von Baden-Württemberg) und Dr. Stefan Wolf (ElringKlinger AG und Südwestmetall) die Frage "Quo Vadis Umweltpolitik". Konsens bestand hinsichtlich des dringenden Handlungsbedarfs in Bereichen wie Klimawandel und Biodiversität. Sozial-ökologische Transformationen müssten in naher Zukunft angegangen werden. Die Wirtschaft müsse dabei nicht nur Teil des Problems sein, sondern müsse Beitrage für Lösungen und Innovationen beisteuern. Es wurde zudem betont, dass Politik, Unternehmen und Individuen sich an ihren konkreten Aktionen und den daraus resultierenden Ergebnissen messen lassen müssen.
Anschließend kamen die ausgewählten Gäste aus Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft bei einem Glas Wein zusammen und feierten den Anlass.