Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU: Hindernis oder Katalysator für Klimaschutz in der Landwirtschaft?
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- Ort
- Berlin, Deutschland
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Sandra NaumannClemens Neumann (BMELV)Reinhild Benning (BUND)
Welche Verantwortung und welche Handlungsmöglichkeiten hat die Agrarpolitik im Klimaschutz? Hat die jüngste Agrarreform der Europäischen Union dazu beigetragen, das vorhandene Potenzial auszuschöpfen? Diesen Fragen widmete sich der 25. Climate Talk, der vom Ecologic Institut zusammen mit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) organisiert wurde. Die Veranstaltung eröffneten Clemens Neumann (BMELV), Reinhild Benning (BUND) und Sandra Naumann (Ecologic Institut).
Der Landwirtschaft kommt als Verursacher, betroffener Sektor sowie als möglicher Akteur im Klimaschutz eine wichtige Bedeutung zu. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP), die den politischen wie finanziellen Rahmen vorgibt und gerade reformiert wird, kann hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten. Klimapolitische Argumente spielen allerdings in der aktuellen Agrarpolitik und den dazugehörigen Förderprogrammen (2007-2013) eine vergleichsweise geringe Rolle.
Die neue Förderperiode der GAP (2014 – 2020) steht vor der Herausforderung und Chance, die GAP wettbewerbsfähig und auch umweltpolitisch nachhaltig zu gestalten. Dazu legte die EU Kommission im Oktober 2011 ein innovatives Paket von Rechtsvorschlägen mit dem Schwerpunkt Ökologisierung vor. Klimaschutz und Klimaanpassung wurden vor allem in den ökologischen Bedingungen für die Subventionen und in gezielten Fördermaßnahmen berücksichtigt. Im Abstimmungsprozess wurden die Vorschläge jedoch wieder reduziert, und inwieweit klimarelevante Maßnahmen in der Praxis tatsächlich genutzt werden, entscheiden letztendlich die Mitgliedstaaten.
Die Referenten und Teilnehmer beschäftigten sich in einer sehr lebhaften und kontroversen Diskussion mit einer Vielzahl von Fragen, so etwa:
- Welche Verantwortung kommt der Landwirtschaft im Klimaschutz zu, und wie kann sie sich an den Klimawandel anpassen?
- Welche Lösungsansätze zur Integration von Klima- und Landwirtschaftspolitik gibt es, und
- welchen Beitrag kann die GAP auch durch ihre Erfahrung mit finanziellen Anreizsystemen leisten?
- Welchen Handlungsspielraum gibt es außerhalb der GAP auf nationaler und regionaler Ebene oder z.B. im Rahmen von klimapolitischen Instrumenten?
In den Auftaktbeiträgen und der Diskussion wurde deutlich, dass die 2. Säule der GAP (die der Entwicklung des Ländlichen Raumes dient) das wichtigste Instrument für den Klimaschutz in der Landwirtschaft darstellt. Hier sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, 30% der Fördermittel der 2. Säule für zielgerichtete Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (sog. Agrarumweltmaßnahmen) auszugeben. Dabei sollen insbesondere Maßnahmen gefördert werden, die über die gängige Praxis hinausgehen, wie bspw. der Anbau von Leguminosen, der reduzierte Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln oder ökologische Anbauverfahren.
Dagegen bleibt das geplante "Greening der Direktzahlungen" in der 1. Säule (Marktregulierung und Direktzahlungen), die mit ca. 75% des gesamten Agrarbudgets (ca. 360 Mrd. €) ausgestattet ist, weit hinter den Erwartungen zurück. Die hier vorgesehenen verpflichtenden Maßnahmen zum Erhalt des Dauergrünlandes, der verstärkten Anbaudiversifizierung und der Bereitstellung sogenannter ökologischer Vorrangflächen, liefern keinen signifikanten Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz. Diese Maßnahmen entsprechen entweder der bereits üblichen landwirtschaftlichen Praxis oder lassen viel Freiraum für Ausnahmeregelungen. So ist beispielsweise in aktuellen Umsetzungsvorschlägen nicht ausgeschlossen, dass Pestizide auf ökologischen Vorrangflächen aufgebracht werden dürfen.
Vor diesem Hintergrund befürworteten viele der Teilnehmer eine stärkere finanzielle Ausstattung der 2. Säule, die aktuell bei ca. 25% des Agrarbudgets liegt.
Als weitere Handlungsmöglichkeiten zu mehr Klimaschutz wurden die Reduktion von Lebensmittelabfällen, ein verminderter Konsum tierischer Produkte und der Konsum regionaler Lebensmittel identifiziert. Dafür bedarf es jedoch eines Umdenkens in der Gesellschaft, ein Prozess der noch in den Kinderschuhen steckt.
In der Diskussion wurde auch hervorgehoben, dass Klimaschutz in der Landwirtschaft nur erfolgreich und nachhaltig sein kann, wenn gemeinsam mit den Landwirten Handlungsmöglichkeiten identifiziert werden und eine adäquate Beratung der Landwirte gewährleistet ist.
Während viele der Teilnehmer einen Handlungsbedarf und Engagement zu mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft insbesondere auf nationaler und EU-Ebene sahen, gab es auch Teilnehmer, die diese Verantwortung und aussichtsreiche Lösungsansätze insbesondere der internationalen Ebene (z. B. WTO) zuschrieben.