Europäischer Emissionshandel – vom Einbruch zum Aufbruch?
- Veranstaltung
- Datum
-
- Ort
- Berlin, Deutschland
- Aktive Rolle
-
Dr. Jochen DiekmannDr. Uwe NeuserDr. Joachim Hein
Der Zukunft des europäischen Emissionshandels widmete sich der 24. Climate Talk. Die Diskussion bei der vom Ecologic Institut zusammen mit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) organisierten Veranstaltung eröffneten Dr. Jochen Diekmann (DIW Berlin), Dr. Uwe Neuser (BMU) und Dr. Joachim Hein (BDI).
Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) ist am 1. Januar 2013 in seine dritte Phase gestartet. Er gilt als Flaggschiff der EU-Klimapolitik. Allerdings schafft der inzwischen sehr niedrige CO2-Preis kaum Anreize für klimaschonende Investitionen. Wegen der anhaltenden Flaute auf dem Kohlenstoffmarkt wird intensiv über Reformen des ETS diskutiert. Den Hintergrund bilden Reformvorschläge der Europäischen Kommission aus dem November 2012. Konkret wird derzeit im Europaparlament über das sogenannte "Backloading" verhandelt – 900 Millionen Emissionsberechtigungen, die zur Versteigerung anstehen, sollen zurückgehalten und erst zum Ende der aktuellen Handelsperiode (2020) auf den Markt gebracht werden.
Das Spektrum von Problemen und aktuellen Reformvorschlägen wurde im Rahmen Climate Talk lebhaft diskutiert.
Die derzeitigen Überschüsse an Emissionsberechtigungen sind sehr hoch – bis 2 Milliarden Tonnen, was einer Jahrestranche an Emissionen im EU ETS entspricht. Der daraus resultierende niedrige Preis setze keinen Innovations- und Investitionsanreiz; die steuernde Wirkung des Emissionshandels entfalle daher in einer Zeit, in der sie am dringendsten benötigt werde. Zudem mache sich der niedrige Preis im Energie- und Klimafonds bemerkbar, der sich aus der Versteigerung von Emissionsberechtigungen in Deutschland speist. Dem wurde entgegen gehalten, dass damit das EU ETS als ex ante-Instrument zur Mengensteuerung genau so funktioniere wie vorgesehen – die niedrigen Preise im EU ETS rührten schließlich daher, dass die Emissionen in der EU massiv gefallen seien.
Verschiedene ETS-Reformansätze werden derzeit diskutiert, deren rechtliche Voraussetzungen und wirtschaftliche Folgen aber differieren: Im Rahmen der EU-Debatte um die Erhöhung des Klimaziels von 20 auf 30 Prozent bis 2020 gab es bereits in 2010 Vorschläge, 1,4 Milliarden Emissionsberechtigungen weniger in den Markt zu geben. Dieses „set aside“ bedeutet eine dauerhafte Verringerung des Emissions-Caps, wohingegen beim Backloading die Berechtigungen nur geparkt werden und später wieder in den Markt gelangen. Letztlich sollen so die Fehler der Vergangenheit korrigiert werden: In der zweiten Handelsperiode wurden zu viele Emissionsberechtigungen ausgegeben, dazu kam eine große Menge von Offset-Krediten aus Drittländern (CDM und JI). Dieser Überschuss wird nun durch das so genannte Banking in die laufende, dritte Handelsperiode übertragen, für die aber bereits genügend Berechtigungen vorgesehen sind.
Gleichzeitig wurde davor gewarnt, dass Eingriffe wie ein Backloading Unsicherheit bei Unternehmen verursachen können, da unklar sei ob weitere Eingriffe folgen werden. Die Glaubwürdigkeit des EU ETS könnte also leiden, wenn es zu solchen Maßnahmen käme. Auch wurde die Meinung vertreten, dass das Backloading von den Märkten bereits antizipiert werde und es kaum Preiseffekte haben würde, weil die zurückgehaltenen Berechtigungen ja in den Markt zurückgegeben werden. Allerdings sei die Preisfindung nicht immer perfekt, so dass durchaus kurzfristige Knappheit entstehen könne, womit auch die Preise steigen.
Weitere strukturelle Maßnahmen beinhalten die Absenkung des sogenannten linearen Faktors im EU ETS – der automatischen jährlichen Reduktion des Angebots, die Erweiterung des EU ETS auf Sektoren, die bisher nicht erfasst sind, und die Reduktion der unter dem EU ETS anrechenbaren internationalen Zertifikate. Nicht zuletzt wäre auch ein direkter Eingriff in den Preis über einen Mindestpreis (floor price) denkbar. Die Möglichkeiten des Preismanagement wurden kontrovers diskutiert. In der aktuellen Situation sei Backloading praktisch die einzige Option, weil die Alternativen eine Veränderung der Europäischen Emissionshandelsrichtlinie erfordern. Dafür fehle nicht nur die Unterstützung, sondern vor allem die Zeit, da die Amtszeit der aktuellen EU-Kommission im Jahr 2014 endet.
Insgesamt aber – so wurde argumentiert – würde keine Reform des EU ETS dazu führen, dass die Klima- und Energiepolitik besser integriert werde. Die Investitionssicherheit für die Unternehmen ergebe sich nicht allein durch den CO2-Preis, sondern auch durch ein konsistentes Zusammenwirken von Instrumenten (z.B. EEG, Energieeffizienzrichtlinie) und Zielen. Daher sei das im Frühjahr von DG Klima und DG Energie angekündigte Grünbuch zur Klima- und Energiepolitik bis 2030 wichtig.
Nach der Veranstaltung wurde die angeregte Diskussion in entspannter Atmosphäre in einem nahegelegenen Restaurant fortgesetzt.