Wie erleben Menschen in verschiedenen Ländern klimatische Veränderungen und inwieweit sind solche Erfahrungen relevant für nationale und internationale Klimapolitik? Dies waren die Leitfragen eines Workshops in Durban, Südafrika, das die Water Governance Group des südafrikanischen Council for Scientific and Industrial Research (CSIR) und das Ecologic Institut gemeinsam parallel zur 17. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) im Dezember 2011 organisiert hatten.
Der Dokumentarfilm "Finding the Fable" zeigte den Teilnehmenden des Workshops zunächst die Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf das Alltagsleben der Menschen in der südafrikanischen Provinz Limpopo. Zu den Menschen, die am Ufer des Flusses Limpopo leben, gehören Dorfgemeinschaften, aber auch Eigentümer von Wildfarmen und Minenbetreiber. Veränderte klimatische Bedingungen wirken sich besonders auf die Lebenssituation der Armen negativ aus; sie sind besonders verletzlich gegenüber einem immer trockner werdenden Klima. Veränderte Wetterbedingungen erschweren es den Leuten vor Ort, ihren Lebensunterhalt z. B. aus Subsistenzlandwirtschaft zu erwirtschaften.
Häufig nehmen Menschen klimatische Veränderung in ihrer lokalen Umgebung zwar wahr, ihre Wahrnehmung und ihre Einstellungen dazu unterscheiden sich aber häufig erheblich von den in Wissenschaft und Politik verwendeten Erklärungsansätzen. Das hat Karen Nortje (CSIR) im Rahmen des EU-finanzierten Forschungsprojekts LiveDiverse herausgefunden. Sie stellte in dem Workshop dar, wie ländliche VhaVenda Gemeinschaften in Südafrika über ihre Erfahrungen der veränderten klimatischen Bedingungen sprechen und welche Gründe sie hinter solchen Veränderungen sehen. Manche der Befragten betrachten beispielsweise Dürre als eine ihnen von den Ahnen auferlegte Strafe oder als Folge der Tatsache, dass bestimmte kulturelle Praktiken (z.B. das Wasserholen) nicht mehr wie früher ausgeführt werden. Solche Wahrnehmungen und Erklärungsmuster müssen bei Anpassungsmaßnahmen berücksichtigt werden.
Manchmal wird Klimawandel auch überlagert von Faktoren wie politischen Konflikten und gegenseitigem Misstrauen sowie Aspekten von Herrschaft und Kontrolle. Das ist beispielsweise, wie Christiane Gerstetter (Ecologic Institut) darstellte, in Israel und Palästina der Fall. Dort hatte das Ecologic Institut im Rahmen des EU-finanzierten Forschungsprojekts CLICO zu Klimawandel, Wasserkonflikten und menschlicher Sicherheit Interviews dazu geführt, wie das Verhältnis von Klimawandel und Wasserknappheit wahrgenommen wird. Ein eher überraschendes Ergebnis dieser Forschung war, dass die Befragten, vor allem Wissenschaftler und Politiker, Klimawandel nicht als größeres Problem für ihre Region sehen. Auf der palästinensischen Seite sagten viele der Befragten, dass eine politische Lösung des Konflikts mit Israeli nötig sei, um die gegenwärtig auf Grund der israelischen Besatzung existierenden Beschränkungen des Zugangs zu Wasser zu beseitigen. Wenn eine derartige Lösung gefunden würde, sei der Klimawandel an sich kein Problem für Palästina. Auf der israelischen Seite sahen viele der Befragten Wasserknappheit als ein Problem an, das leicht technologisch lösbar ist, beispielsweise durch den Bau zusätzlicher Entsalzungsanlagen. Auch aus dieser Perspektive ist Klimawandel kein größeres Problem, da Israel bereits seit längerer Zeit Strategien zum Umgang mit Dürre umsetzt. Derartige Wahrnehmungen beeinflussen offensichtlich, ob und in welcher Form Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden.
An diese Einblicke in geisteswissenschaftliche Forschung zum Klimawandel schloss sich eine Diskussion an, ob und wie Erfahrungen klimatischer Veränderungen auf der lokalen Ebene bei der Formulierung von nationaler und internationaler Klimapolitik berücksichtig werden sollten.
Der Workshop war Teil eines Kooperationsprojekts zwischen dem CSIR und dem Ecologic Institut zu Wasser und Land.
Die Präsentationen stehen zum Download zur Verfügung:
- Präsentation von Karen Nortje [pdf, 4.5 MB, Englisch], CSIR
- Präsentation von Christiane Gerstetter [pdf, 31 kB, Englisch], Ecologic Institut
Weiterführende Links:
- Ecologic Institut Projekt: Integriertes Wasser- und Landmanagement auf der regionalen SADC und der EU Ebene
- Ecologic Institut Projekt: Klimawandel, Wasserkonflikte und menschliche Sicherheit (CLICO)
- Ecologic Institut Präsentation: Veranstaltungen zu Klimawandel, Konflikten und menschlicher Sicherheit während des Klimagipfels in Durban
- Veranstaltungen des Ecologic Instituts in Durban
- Ecologic Institut Publikation: Die Zukunft schon heute retten? Internationale Perspektiven auf die UN Klimakonferenz in Durban 2011 – Die Europäische Union
Stichworte: Anpassung, Südafrika, Israel, Palästina
Redner: Christiane Gerstetter, Nicole Kranz, McKenna Davis
Titel Veranstaltung: Wie wird Klimawandel vor Ort erlebt?
Veranstalter: Ecologic Institut, Council for Scientific and Industrial Research (CSIR)
Datum: 1. Dezember 2011
Ort: Durban, Südafrika