Am 13. September 2016 fand in Berlin der Expertenworkshop "Diskussion eines Bewertungssystems für zivilgesellschaftliche Initiativen zur Erfassung von Nachhaltigkeit und Transformationspotential" statt. Rund 30 Vertreter/innen aus Wissenschaft, Politik, Stiftungen und Nachhaltigkeitsinitiativen diskutierten den ersten Entwurf eines Kriterienkataloges zur Erfassung und Darstellung des gesellschaftlichen Mehrwertes von Nachhaltigkeitsinitiativen in der Nische, insbesondere ihres Nachhaltigkeits- und Transformationspotentials. Stephanie Wunder, Senior Fellow am Ecologic Institut stellte den Bewertungsansatz vor.
Die Kriterien zur Einschätzung des Nachhaltigkeitspotentials, des Transformationspotentials, der organisatorischen Handlungsfähigkeit und der Skalierbarkeit von Initiativen, wurden aus 13 politischen und wissenschaftlichen Bewertungssystemen und der Transition Literatur abgeleitet.
Hintergrund
Zivilgesellschaftliche Initiativen spielen eine zunehmende Rolle bei der Entwicklung und Verbreitung von sozialen Innovationen und einer gesellschaftlichen Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit. Oft befinden sich diese Initiativen bzw. ihre Praktiken noch in der "Nische".
Bei entsprechender (politischer) Unterstützung könnten viele dieser Initiativen noch weitere Verbreitung und damit auch ihren Weg aus der Nische finden.
Voraussetzung hierfür ist jedoch eine Möglichkeit zur differenzierten Bewertung der verschiedenen Initiativen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitseffekte, aber auch ihres Transformationspotentials.
Ein einheitlicher Bewertungsrahmen, der den unterschiedlichsten Arten von Nachhaltigkeitsinitiativen gerecht wird, ein breites Nachhaltigkeitsverständnis aufweist, auch ohne die aufwendige Sammlung quantitativer Daten eine grobe Einschätzung der Nachhaltigkeitseffekte erlaubt und zudem auch das transformative Potential von Initiativen erfasst, existiert jedoch bislang nicht.
Zudem verfolgen zahlreiche Bewertungsansätze einen Schwerpunktansatz, etwa die Erfassung von Umwelteffekten unter Vernachlässigung sozialer Effekte oder eine Fokussierung auf ökonomische Auswirkungen. Wenig entwickelt hingegen sind integrierte Ansätze, die eine große Bandbreite an Nachhaltigkeitseffekten erfassen. Mit der Einigung der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf 17 breit aufgestellte Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, kurz SDG) im September 2015 und der Verpflichtung diese auch in Deutschland umzusetzen, bekommt die Entwicklung integrierter Ansätze auch eine neue politische Relevanz.
Das Projekt Von der Nische in den Mainstream - Wie gute Beispiele nachhaltigen Handels in einem breiten gesellschaftlichen Kontext verankert werden können, in dessen Rahmen die Arbeit durchgeführt wurde, hat sich im Auftrag des Umweltbundesamtes und des BMUB zum Ziel gesetzt, eine Methode zu entwickeln, die es erlaubt, die wesentlichen Nachhaltigkeitswirkungen und das transformative Potenzial der Initiativen zu identifizieren und eine Grundlage für eine fachlich fundierte, nachvollziehbare und anwendungsorientierte Bewertung zu bieten. Das Ecologic Institut leitet das Projekt in Kooperation mit dem Dutch Research Institute for Transitions, Erasmus University of Rotterdam (DRIFT).
Diskutierte Anwendungskontexte des Kriterienkatalog für Nachhaltigkeitsinitiativen
Neben der Anwendung des Kriterienkataloges als Argumentationshilfe auf bundespolitischer Ebene wurden weitere Anwendungskontexte des Bewertungssystems für Länder, Kommune, Stiftungen und Nachhaltigkeitsinitiativen selbst diskutiert und als sinnvoll erachtet:
- Identifikation von (ggf. neuen) nachhaltigkeitsrelevanten Initiativen vor Ort,
- Werkzeug für Länder, Kommunen und der Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) zur Erfassung der Umsetzung der Globalen Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) durch lokale Nachhaltigkeitsinitiativen
- Impulsgeber, Bewertungstool, Orientierungs- und Entscheidungshilfe für Länder, Kommunen und Stiftungen für Förderung und/ oder Verbesserung der Rahmenbedingungen,
- Analyse zum besseren wissenschaftlichen Verständnis von Initiativen in der Nische bzw. der Auswirkung ihrer Aktivitäten,
- Nutzung als Beratungshilfe/-leitfaden zur besseren Entfaltung des Nachhaltigkeits- und Transformationspotenzials von Initiativen (z.B. um ihnen maßgeschneiderte Coachings anzubieten),
- Selbsteinschätzung der Initiativen zu Identifikation von Stärken und Schwächen sowie Argumentationshilfe des eigenen Mehrwertes.
- zielgerichtete Vernetzung von Initiativen, die sich gegenseitig unterstützen können und damit ihr Transformationspotential vergrößern,
Alternative Herangehensweisen zur Einschätzung von Initiativen in der Nische
Kurze Inputs alternativer Bewertungssysteme von Angelika Schichtel (ANU e.V., "Vom Handeln zum Wissen – Umweltzentren als Change Agents einer Transformation von unten"), Christopher Luederitz (University of Waterloo , "Lernen durch Evaluation: Ein Evaluationsschema für transformative Nachhaltigkeitsexperimente") und Anne Holsten (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, "TESS-Projekt- Transition to sustainable, low-carbon societies") bereicherten die Diskussionen mit weitere möglichen Herangehensweisen.
Diskussionen zu den Kriterien des Nachhaltigkeits- und Transformationspotentials
Neben der grundsätzlich positiven Einschätzung der vorgestellten Kriterien durch die Workshop-Teilnehmenden, wurden Anregungen für eine alternative Strukturierung der Kriterien, die Aufnahme neuer Kriterien und die Schärfung der Zielsetzung und Annahmen diskutiert. Insbesondere die Kriterien und Leitfragen zum Transformationspotential werden Gegenstand einer weiteren Ausdifferenzierung des Bewertungssystems sein.