Eine neue Dimension der Umwelthaftung in Europa?
Eine Analyse der europäischen Richtlinie zur Umwelthaftung
- Publikation
- Zitiervorschlag
Beyer, Peter 2004: "Eine neue Dimension der Umwelthaftung in Europa? Eine Analyse der Europäischen Richtlinie zur Umwelthaftung". Zeitschrift für Umweltrecht, Jg. 16, Nr. 5, 257-265.
In einem Artikel in der ZUR – Zeitschrift für Umweltrecht analysiert Peter Beyer die neue europäische Richtlinie zur Umwelthaftung. Die Haftung für Umweltschäden durch Emissionen sowie durch Unfälle im Bereich der industriellen Produktion und des Transports gefährlicher Güter gehört seit Jahren zu den politisch kontrovers diskutierten Themen. Anlass sind regelmäßig spektakuläre Unfälle wie in Baia Mare oder der Untergang der Prestige vor der spanischen Küste.
Mittlerweile ist anerkannt, dass sich die Kosten solcher Unfälle über das Instrument der Gefährdungshaftung internalisieren lassen. Verschuldensunabhängige Haftungsnormen sollen Unternehmen zu Investitionen in die Schadensprävention bis zu dem Punkt veranlassen, an dem sie sich im Verhältnis zu dem drohenden Haftungspotential betriebswirtschaftlich nicht mehr rechnen. Die Gefährdungshaftung gewährleistet damit nicht nur, dass - im Sinne des Verursacherprinzips – im Schadensfall statt der Allgemeinheit der Verursacher die Kosten trägt, sondern kann als Instrument der Vorsorge das Risiko von Schäden insgesamt verringern. Bei der Umsetzung in die Praxis verursacht eine besondere Schadenskategorie jedoch regelmäßig Schwierigkeiten: der sog. ökologische Schaden. Unter einem ökologischen Schaden werden negative Veränderungen von Luft, Wasser, Boden, der Tier- und Pflanzenwelt und ihrer Wechselwirkungen verstanden. Gegenüber dem weiteren Begriff des Umweltschadens grenzt er sich dadurch ab, dass ein wirtschaftlicher Verlust nicht Voraussetzung ist, sondern die bloße negative Beeinträchtigung von Umweltgütern ausreicht. Zivilrechtliche Haftungssysteme erfassen diesen Schaden nicht, da es bei der negativen Beeinträchtigung von Naturgütern, die keinen wirtschaftlichen Wert haben wie beispielsweise Seevögel oder wirtschaftlich nicht nutzbare Wälder in der Regel an einem Schaden und häufig mangels einer Eigentümerstellung auch an einem Kläger fehlt.
Um diese Regelungslücke auf europäischer Ebene zu schließen, hat die Europäische Kommission Anfang 2002 nach einem Grün- und einem Weißbuch sowie einem Arbeitspapier der Generaldirektion Umwelt dem Rat schließlich einen Vorschlag über eine Richtlinie über Umwelthaftung betreffend der Vermeidung von Umweltschäden und die Sanierung der Umwelt vorgelegt. Das Konzept des Vorschlags folgte im Wesentlichen dem Weißbuch der Kommission und lehnte sich dabei stark an den U.S.-amerikanischen "Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act - CERCLA" von 1980 an. Nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses verabschiedete der Ministerrat im September 2003 eine gemeinsame Position, die gut die Hälfe der vom Parlament vorgebrachten Abänderungsvorschläge berücksichtigte. Als Ergebnis der zweiten Lesung fordert das Europäische Parlament vier Änderungen an der gemeinsamen Position, die unter anderem die Versicherungspflicht und das Verhältnis zu internationalem Haftungsrecht für Schiffseigner betrafen. Der Ministerrat wies die Vorschläge zurück. Im anschließenden Vermittlungsverfahren einigten sich das Parlament und der Ministerrat schließlich Ende Februar 2004 auf einen endgültigen Text.