The Dismantling of the German Federal Health Agency
A Case of (Failed) Institutional Precaution
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Conrads, Axel 2004: "The Dismantling of the German Federal Health Agency: A Case of (Failed) Institutional Precaution", in: Konrad von Moltke und Claire Weill (Hg.): European Precautionary Practice, Les pratiques européennes de précaution. [Les actes de l'Iddri 1]. Paris, 53-57.
Das Vorsorgeprinzip ist ein grundlegendes Prinzip europäischer Umweltpolitik. In dem Artikel werden die Umstände des Skandals um AIDS-infizierte Blutkonserven, die 1994 zur Auflösung des Bundesgesundheitsamtes führten, untersucht. Er veranschaulicht die Schwierigkeiten einer institutionellen Verankerung des Vorsorgeprinzips und identifiziert Voraussetzungen für eine möglicherweise erfolgreiche institutionelle Implementierung.
1994 beschloss die Bundesregierung die Auflösung und Neuordnung des renommierten und traditionsreichen Bundesgesundheitsamtes. Vorausgegangen war die Feststellung schwerwiegender Versäumnisse der Bundesoberbehörde im Kampf gegen die neue Krankheit AIDS. 373 Personen waren seit 1985 durch Bluttransfusionen mit dem HI Virus infiziert worden. Dem Amt waren derartige Infektionen bekannt gewesen, die Behörde hatte jedoch versäumt, hierauf angemessen zu reagieren. Mit der Neuordnung des Bundesgesundheitsamtes in mehrere voneinander unabhängige Bundesoberbehörden sollten die nach Auffassung des zuständigen Ministers maßgeblich für das Desaster verantwortlichen zentralistischen Strukturen beseitigt werden. Insbesondere sollte der Fluss von Informationen verbessert und die Beweglichkeit der einzelnen Institute bei Bewältigung ihrer Aufgaben erhöht werden.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hatte als Gründer für den sogenannten "AIDS Skandal" weit darüber hinaus gehende Defizite sowohl beim BGA als auch beim zuständigen Ministerium ausgemacht. Der Abschlussbericht legt nahe, dass sich die Behörde auf die ausreichende Versorgung des Marktes mit Blutkonserven konzentriert und dabei die Gewährleistung von Qualität und Sicherheit vernachlässigt hatte. Sie hatte sich insofern wohl von dem Interesse leiten lassen, das Überleben von insbesondere gemeinnützigen Herstellern von Blutkonserven nicht zu gefährden.
Für Mitarbeiter und Management der Behörde stellte der Ausschuss sowohl fachliche Überforderung als auch mangelndes Durchsetzungsvermögen gegenüber Druck von außen fest. Mitarbeiter und Leitung des BGA waren überdies z.T. in erheblichem Maße lukrativen Aktivitäten außerhalb des Amtes nachgegangen. Offenbar wurde auch, dass das Bundesgesundheitsministerium unzureichende Mittel im Kampf gegen AIDS zur Verfügung gestellt und von der Behörde empfohlene Maßnahmen nicht ergriffen hatte.
Der Untersuchungsausschuss empfahl – und diese Empfehlungen können als generelle Erfordernisse für Institutionen im Bereich der Vorsorge gelten –, dass eine wissenschaftlich angesehene, unabhängige Persönlichkeit das BGA leiten solle. Die Wahl der Leitungspersönlichkeit determiniere, so wurde unterstellt, die Unabhängigkeit und Stärke des Amtes gegen wirtschaftlichen und politischen Druck. Die Leitung des Hauses müsse darüber hinaus mit komplexem Verwaltungs- und Datenmanagement vertraut sein. Als Gegengewicht zu privaten Interessen sollten Patienten in institutionellen Entscheidungsprozessen einbezogen werden und ein parlamentarisches Gremium die Unabhängigkeit von Bewertungen und Entscheidungen des Bundesamtes überwachen.