Die Bedeutung der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Russland und der U.S.-amerikanischen Wahlen für das Klima-Regime
- Veranstaltung
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- Ort
- Berlin, Deutschland
- Aktive Rolle
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Matthias Urbach
Internationale Klimapolitik, die Bedeutung des Kyoto-Protokolls und der U.S.-Wahlen waren Diskussionsgegenstand des Dinner Dialogs am 6. Dezember 2004 in Berlin. Die Veranstaltung fand zu Ehren von Oran Young, Professor an verschiedenen internationalen Universitäten, statt. Angeregt und kontrovers wurden die institutionelle Strukturen und Ziele des internationalen Klimaregimes, Möglichkeiten der Fort- und Neuentwicklung von bestehenden und möglichen Klima-Regimen sowie Fragen der konkreten Handlungsnotwendigkeiten und Entwicklungswahrscheinlichkeiten diskutiert.
Oran Young eröffnete die Diskussion mit Thesen zu drei grundlegenden Themenkomplexen:
- Zunächst ging er auf das Kyoto-Protokoll ein, welches nach der Ratifizierung durch Russland im Frühjahr 2005 in Kraft treten wird. Young hinterfragte kritisch den Effekt, den das Protokoll für die Emissions-Reduktion haben würde, und kam zu dem Schluss, dass dieser gering sein würde. In jedem Fall sei das Kyoto-Protokoll nicht ausreichend, um den Grad an Emissions-Reduktion zu erreichen, der für einen erfolgreichen Klimaschutz notwendig sei. Nichtsdestotrotz identifizierte er drei Aspekte, in welchen das Protokoll Bedeutung entwickelt: Zunächst sei es eine Basis um mit den darin vorgesehenen Mechanismen Erfahrungen zu sammeln. Diese Erfahrungen wären eine wichtige Grundlage für die Fortentwicklung der Klimapolitik. Des weiteren würde der Druck, CDM-Projekte durchzuführen, steigen, obwohl hier noch erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich vieler Durchführungs- und Bewertungsfragen herrschen. Schließlich sei das Kyoto-Protokoll ein guter Start im Rahmen eines "mini-lateralism", von dem aus ein Spill-Over-Effekt zu erwarten sei.
- Als zweiten Themenkomplex widmete Oran Young sich der U.S.-amrikanischen Wahl. Mit Blick auf den alten und neuen Präsidenten Bush äußerte er die Vermutung, dass sich in den nächsten Jahren keine wesentlichen Änderungen in der nationalen Klima-Politik ergeben werden. Allerdings wies er darauf hin, dass die Öffentlichkeit und nichts staatliche Organisationen mehr und mehr in Opposition dazu gehen würde. Außerdem würde sich auf einer sub-nationalen staatlichen Ebene in den Städten und Staaten eine eigenständige Klimapolitik entwickeln. Die Bedeutung der Dynamik im sub-nationalen und im nicht-staatlichen Bereich wäre daher für die zukünftige Klima-Politik-Bewertung zwingend zu beachten.
- Als letztes ging Oran Young auf ein systemisches Problem der Klima-Politik ein. So wies er darauf hin, dass grob zwischen den Playern unterscheiden müsste, die eine Industriegesellschaft "ohne Kohlendioxid" wollten und jenen, die mit Blick auf Effizienz einen technik-orientierten Angang an das Problem hätten. Erstere Gruppe lege nicht so sehr Wert auf Effizienz, würde die Klima-Politik vielmehr zu einem kulturellen und sozialen Anliegen und einer Frage der Verantwortung machen. Letztere Gruppe würden das Problem eher als technische Frage der effizientesten Reduktionsmöglichkeiten sehen. Da die U.S.A. grundsätzlich zu letzterer Gruppe gehörten, hätte auch ein anderer Wahlausgang wohl nicht zu einer grundsätzlich anderen Klimapolitik geführt.
Oran Young ist Professor an der Bren School of Environmental Science and Management der University of California sowie außerordentlicher Professor an der Universität von Tromsø in Norwegen. Er hat u.a. den Vorsitz des Leitungsgremiums des internationalen Projektes Institutional Dimensions of Global Environmental Change (IDGEC) inne und ist Vize-Präsident des Interantional Arctic Science Committee (IASC). Oran Young ist Autor und Ko-Autor von mehr als 20 Büchern und vielfältigen weiteren wissenschaftlichen Veröffentlichungen.
Matthias Urbach, Korrespondent der Tageszeitung "taz", eröffnete die anschließende Diskussion. Er äußerte sich pessimistischer als Oran Young. Das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls sah er als Folge eines wirtschaftlichen und politischen Eigeninteresses Russlands mit Blick auf mögliche Verdienste aus dem Emissionshandel und den Beitritt Russlands zur WTO. Außerdem wies er auf die großen Schwierigkeiten hin, eine theoretisch verlockende Idee wie den Emissionshandel als Klimaschutzinstrument in der Praxis umzusetzen. Hier verwies er auf die Erfahrungen in Deutschland und UK bei der Einführung des europäischen Emissionshandels und auf die sich abzeichnenden Schwierigkeiten Europas, seine Kyoto-Verpflichtungen zu erfüllen. Schließlich aber forderte Urbach, dass ein neues Protokoll unter Beteiligung der U.S.A. erfolgen sollte.
Matthias Urbach ist Hauptstadtkorrespondent des Ressorts "Wirtschaft und Umwelt" der überregionalen Tageszeitung "taz". Als gelernter Physiker verfolgt Matthias Urbach seit acht Jahren die internationale Klimapolitik und berichtet unter anderem von den Klimagipfeln, etwa aus Kyoto 1997 und Bonn 2001. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit sind Umwelt-, Finanz- und Verbraucherpolitik sowie Wissenschaft.
Die anschließende Diskussion berührte u.a. folgende Bereiche:
- Reflektionen zum Prozess, der zu den konkreten Festlegungen im Kyoto-Protokoll führte
- Überlegungen zu den Versuchen, die U.S.-Delegation in den Prozess einzubinden und Analyse der Gründe, woran dies gescheitert ist
- Möglichkeiten des Mini- und Multilateralismus
- Möglichkeiten und Notwendigkeiten, China und Indien in das bestehende Klimaregime einzubinden
- Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die U.S. in ein internationales Klima-Regime außerhalb des Kyoto-Protokolls einzubinden
- Bedeutung des Kyoto-Protokolls als politischer Wegweiser und Erwartungen an die politische und wirtschaftliche Dynamik, die sich aus seinem Inkrafttreten entwickeln werden
- Handlungsperspektiven für die Europäische Union
- Bedeutung von JI- und CDM-Projekten und politische Risiken diesbezüglich
- Bedeutung der integrierten internationalen Energiepolitik und insbesondere des Ausbaus erneuerbarer Energien für den Klimaschutz