Bypassing Germany's Reformstau
The Remarkable Rise of Renewable Energy
- Publikation
- Zitiervorschlag
Stefes, Christoph H. 2010: “Bypassing Germany's Reformstau: The Remarkable Rise of Renewable Energy”. German Politics, Jg. 19, Nr. 2, 148-163.
Die Einführung des sehr effektiven Stromeinspeisemodels für die Entwicklung der erneuerbaren Energien stellt gerade mit Hinblick auf Deutschlands schwerfälligem politischem System eine erstaunliche Errungenschaft dar. Die vielen Vetopunkte in diesem politischen System insgesamt führen zu einer politischen Trägheit – dem Reformstau – in Deutschland, die umfassende Politikveränderungen in Deutschland zur Seltenheit machen. Stefes erklärt in diesem Artikel, wie trotz Reformstau das Stromeinspeisemodel in Deutschland eingeführt und damit ein Boom für die erneuerbaren Energien eingeleitet werden konnte.
Im Zuge der Einführung des Stromeinspeisemodels ist es zu einem bemerkenswerten Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland gekommen. Aufbauend auf Modelle der Policyanalyse und des Historischen Institutionalismus zeigt Stefes, dass diese Politik durch erfahrene policy entrepreneure und dem Öffnen eines policy window (critical juncture) Mitte der 1980er Jahre möglich wurde. Diese policy windows - Momente, in denen Fürsprecher einer bestimmten Politik ihre Ideen vorantreiben können - sind selten aber sehr wichtig, um neue institutionelle Arrangements zu implementieren, die ansonsten den Vetopunkten zum Opfer fallen würden. Diese critical juncture eröffnete sich für erneuerbare Energien in 1980er-Jahren, als die Kohle- und Nuklearindustrien mit rechtlichen und politischen Problem zu kämpfen hatten, das Prinzip der ökologischen Modernisierung immer mehr Fürsprecher fand und die späteren Gegner durch die deutsche Wiedervereinigung abgelenkt wurden. Dem Historischen Institutionalismus folgend argumentiert Stefes weiter, dass das Einspeisemodel nach seiner Einführung die für Institutionen typische Eigendynamik entwickelt hat. In dem Moment, als die policy entrepreneurs diese Politik durch das Verbinden von wirtschaftlichen und politischen Ressourcen etabliert hatten, wurde es schwierig, das Einspeisemodel wieder zu kippen. Eine Umkehr wurde dadurch nicht unmöglich gemacht, aber nach dem ursprünglichen Erfolg dieses Models wurde diese Umkehr jedoch sehr unwahrscheinlich. Als Beweis für ihren Erfolg genügt es darauf hinzuweisen, dass das Einspeisemodel heute kaum noch infrage gestellt wird und bereits in über 40 industrialisierten Staaten übernommen worden ist.
Obwohl sicherlich nicht das Allheilmittel zur Navigation schwerfälliger politischer Systeme, das Zusammentreffen von critical junctures, Pfadabhängigkeit und policy entrepreneurs hat eine zentrale Rolle bei der Implementierung des wegweisenden und höchsteffektiven Einspeisemodels in Deutschland gespielt.
Diese Studie baut auf eine frühere Arbeit mit Prof. Frank Laird (University of Denver), welche von der US-amerikanischen National Science Foundation mit einem Forschungsstipendium bedacht worden ist. Theoretisch weiter verfeinert und durch die amerikanische Fallstudie erweitert wird sie im September 2010 auf der jährlichen Konferenz der American Political Science Association in Washington, D.C. vorgestellt.