Konrad von Moltke, der das Ecologic Institut inspirierte, verstarb am 19. Mai 2005 bei sich daheim in Vermont (USA). 1976 gründete Konrad das Institut für Europäische Umweltpolitik (IEUP) in Bonn, dessen Auftrag heute das Ecologic Institut weiter verfolgt. Er unterstützte das Ecologic Institut von Anfang an und engagierte sich besonders in den Bereichen Entwicklungspolitik, Handel und Investitionen sowie internationaler Governance für die Umwelt. Als Vordenker hat Konrad das ganze Institut belebt und begeistert, als Lehrer und Berater hat er uns alle geleitet, sein Beispiel und seine Prinzipien werden uns auch weiterhin als moralische Orientierung in der politischen Arbeit dienen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, für die der Verlust dieses in jeder Hinsicht großen Menschen besonders schmerzlich ist.
Konrad von Moltke war uns ein treuer Berater in vielen Bereichen, von der strategischen Institutsentwicklung und Trends in der Politik bis zu einzelnen Projekten, beispielsweise zu Umwelt und Handel oder Sustainability Impact Assessment. Er unterstützte die Netzwerkbildung genauso wie die Personalentwicklung. Als Gesellschafter in der gemeinnützigen GmbH trug er selbstlos zum Stammkapital des Ecologic Instituts bei.
Konrad wuchs in Deutschland, Südafrika und den USA auf, beherrschte eine Reihe von Sprachen und war an vielen Orten zu Hause. Er vereinte in sich die Genauigkeit eines Mathematikers und den Sinn eines Historikers für große Zusammenhänge. Ein großer Teil seiner Energie war Verbesserungen in der universitären Bildung auf beiden Seiten des Atlantiks gewidmet, ob an der State University of New York in Buffalo oder während seiner Zeit in Hamburg und Bonn. Er setzte sich auch für bürgerschaftliches Engagement ein, das er als Grundlage für eine freie, demokratische Gesellschaft ansah.
Er sah die spätere Rolle und Bedeutung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aus der sich die heutige Europäische Union (EU) entwickelte, voraus und war wegen der Vernachlässigung des Umweltschutzes im europäischen Einigungsprozess besorgt. Er brachte Sponsoren, vor allem die Europäische Kulturstiftung in Amsterdam dazu, die Gründung eines Netzwerkes von Instituten für Europäische Umweltpolitik mit Büros zuerst in Bonn, London und Paris, später auch in Arnhem, Madrid und Brüssel zu unterstützen. Heute besteht dieses Netzwerk aus dem IEEP London und dem Ecologic Institut, mit einem gemeinsamen Büro in Brüssel, sowie dem IEEP Madrid.
Dieses Netzwerk verkörpert Einsichten und Prinzipien, die Konrads Denken und Handeln bestimmten. "Advocacy", die aktive Einmischung mit Ideen in der Politik, war der Hauptzweck, was schon am "für" im Institutsnamen deutlich wurde. Konrad verabscheute Gewalt und suchte keine Konflikte, aber scheute auch keine politische Diskussion und war ein beeindruckender und furchtloser Streiter, der seine Ansichten nach sorgfältiger Analyse auf der Grundlage hoher moralischer und ethischer Prinzipien vertrat.
Viel klarer als andere sah Konrad, dass die politischen Prozesse in der heutigen EU nicht den Beispielen aus den USA oder den Nationalstaaten, die zu EU-Mitgliedstaaten wurden, folgen würden. Er verstand die polyzentrische Natur der entstehenden europäischen "Polity", des politischen Gemeinwesens in der EU. Hier kommen Ideen und Initiativen häufiger aus der Hauptstadt eines Mitgliedstaates als aus Brüssel oder Straßburg. Er wollte deswegen ein Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Organisationen in den Hauptstädten aller Mitgliedstaaten, die in der europäischen Umweltpolitik besonders aktiv und prägend sind.
Hinter dieser Einsicht stand nicht nur ein kühler Kopf und eine Analyse der politischen Spielregeln in Europa. Konrad wollte auch ein geeintes aber polyzentrisches Europa auf der Grundlage von Subsidiarität und Föderalismus. Wiederkehrendes Thema seiner Arbeit waren die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Politikprozessen und Regelungssystemen in verschiedenen Räumen und Ebenen, die – jeweils ihrer eigenen inneren Logik von Problemstrukturen und Machtverhältnissen folgend – doch so miteinander verknüpft werden müssen, dass ein sinnvolles, den Wünschen entsprechendes Ergebnis erzielt wird.
Dies war und ist immer noch im Kern das Anliegen des IEEP-Netzwerkes: Die Politikdynamik hinter der Integration von Erfordernissen des Umweltschutzes in andere Politikbereiche, einschließlich der Entwicklung des Primär- und Verfassungsrechts, zu verstehen und gestalten zu lernen. Konrad begann es mit dem IEUP, und das Integrationsprinzip ist nun im EG-Vertrag und im Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrags verankert.
Nach seinem Umzug in die Vereinigten Staaten 1984 setzte Konrad sein Denken und Handeln in ähnlicher Weise fort und machte sich für die Integration von Umwelt und nachhaltiger Entwicklung in transatlantische Beziehungen und die Außenpolitik stark.
"Senior Fellow" war der Titel, der ihm am besten stand. Er hielt ihn in Nordamerika an verschiedenen Einrichtungen, darunter das Institute on International Environmental Governance am Dartmouth College, New Hampshire, und beim World Wildlife Fund (WWF) in Washington, DC, sowie am International Institute for Sustainable Development (IISD) in Winnipeg, Manitoba.
In Europa war Konrad nicht nur dem Ecologic Institut eng verbunden, sondern auch dem Instituut voor Milieuvraagstukken (IVM) der Freien Universität Amsterdam und dem Institut du Développement Durable et des Relations Internationales (IDDRI) in Paris.
Sein besonderes Interesse galt der internationalen Handelpolitik und dem Handelsrecht sowie anderen Aspekten der Weltwirtschaftsordnung. Hier folgte er den gleichen Prinzipien, die sich in Bezug auf die EU schon bewährt hatten. Eines seiner wichtigsten Anliegen war der Kapitalbedarf in Entwicklungsländern und die Notwendigkeit eines effektiven und gerechten internationalen Regelungsrahmens für Investitionen.
Konrad behielt immer die Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen im Blick und stellte viele Verbindungen zwischen den Einrichtungen, auch in der akademischen Welt, her, mit denen er verbunden war. Die daraus entstandenen Kooperationen werden als Zeugnis seiner Vorausschau und Initiative weiterbestehen. Ein Gründer und Anstoßgeber für zahlreiche akademische und zivilgesellschaftliche Netzwerke, nannte er sich wegen seiner mehr als 2 Meter Körperlänge oft, und nur halb im Scherz, die "größte multinationale Körperschaft" im Raum.
Sein Wirken wird in einer Vielzahl von miteinander verbundenen Organisationen für nachhaltige Entwicklung, friedliche Konfliktbewältigung und Demokratie auf der Grundlage zivilgesellschaftlichen Engagements fortbestehen.
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