Die Schwierigkeiten der Einführung des Emissionshandels konnten die Teilnehmer eines Planspiels im Rahmen der Konferenz "Europa.kult" der Heinrich Böll Stiftung hautnah erfahren. Obwohl sie sich am Ende nicht auf einen gemeinsamen Nationalen Allokationsplan einigen konnten, fiel die Bewertung der Veranstaltung durchweg positiv aus: "Noch nie habe ich ein so komplexes Thema in so kurzer Zeit mit so viel Spaß erarbeitet!", lautete das eindeutige Urteil eines Teilnehmers.
Im Rahmen des Planspiels waren die Teilnehmer des Forums "Emissionshandel - Königsweg oder Ablass?" aufgefordert einen Nationalen Allokationsplans (NAP) zu erarbeiten. Der NAP hat die Aufgabe auf nationaler Ebene, die Zuteilungsregeln für die Emissionszertifikate des europäischen Emissionshandels festzulegen. Da über den NAP die Rechte der zukünftig emissionshandelspflichtigen Unternehmen gestaltet werden, steht er in der Praxis im Mittelpunkt des Interesses der betroffenen Industrieunternehmen und Energieversorger.
Um die Interessenkonflikte bezüglich der Regelungen des NAP auch innerhalb der Industrie zu verdeutlichen, wurden die 30 TeilnehmerInnen des Forums in die Rolle verschiedener Energieversorger versetzt. Unterstützt von drei ExpertInnen im Bereich des europäischen Emissionshandels, unter ihnen auch Camilla Bausch von Ecologic, sollten die fiktiven Unternehmen "Fossi & Ruß AG" (Kohle-Verstromung), "Strahlemann & Söhne AG" (Atom-Strom) und "OkayStrom e.G." (Strom aus KWK und regenerativen Quellen) untereinander eine Einigung zu den NAP-Regeln aushandeln, um mit diesen Forderungen vor das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu treten.
Anhand ihrer vorgegebenen Unternehmensdaten mussten sich die drei Gruppen für ihr jeweiliges Unternehmen zunächst eine Zukunftsstrategie überlegen und daran orientierte NAP-Regeln erarbeiten. Mit diesen von unternehmensspezifischen Interessen geprägten Forderungen traten die Unternehmensvertreter der drei Energieerzeuger dann in Verhandlungen miteinander, um eine gemeinsame NAP-Vorlage für das BMU zu erarbeiten.
Die zu gestaltenden Inhalte wurden dabei von einer Spielrunde zur nächsten immer komplexer. Auch war die Zeit - genau wie im echten Leben - für interne Besprechungen und externe Einigungen äußerst knapp bemessen. Insbesondere während der gemeinsamen Verhandlungen trat das gesamte Konfliktpotential bei der Ausgestaltung der Zuteilungsregeln deutlich zu Tage und genau wie auch in der Praxis konnten die Unternehmen in vielen Punkten keine Einigung erzielen. So herrschten unterschiedliche Ansichten z.B. bezüglich der Festlegung der Basisperiode, der Anerkennung von KWK- und Atomquoten sowie hinsichtlich der Regelungen frühzeitig erbrachter Minderungs-Leistungen (sog. Early Action). Schließlich wurden heimliche Koalitionen geschlossen, um die eigene Position zu stärken. Dabei kam es zu überraschenden Konstellationen. Nachdem zunächst ein Vertreter von OkayStrom in Bezug auf die Kohle formulierte: "...die Evolution hat schon einmal gezeigt, dass die Dinosaurier nicht überleben können", bezogen am Ende OkayStrom und Fossi & Ruß Stellung gegen die Forderungen von Strahlemann und Söhne.
EUROPA.KULT fand am 19. und 20. März 2004 in der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Institut für Politikwissenschaften der Universität Leipzig und dem Europa Haus Leipzig e.V. statt. In verschiedenen Panels und Foren bot der Kongress 180 TeilnehmerInnen die Möglichkeit, verschiedenste aktuelle europapolitische Themen zu erarbeiten und zu diskutieren.
Die von der Heinrich Böll Stiftung organisierte Konferenz stand unter der Schirmherrschaft von Vaclav Havel, Bürgerrechtler und ehemaligem Präsidenten der Tschechischen Republik.
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