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US-Klimapolitik nach einem heißen Sommer – von "Yes We Can" zu "Sorry – we tried"?

16. Climate Talk
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US-Klimapolitik nach einem heißen Sommer – von "Yes We Can" zu "Sorry – we tried"?

Veranstaltung
Datum
Ort
Berlin, Deutschland
Aktive Rolle
Miranda Schreurs (Sachverständigenrat für Umweltfragen)
David Wortmann (First Solar GmbH)

Dr. Camilla Bausch und Benjamin Görlach vom Ecologic Institut und Dr. Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik haben Ende August 2010 zum 16. Climate Talk eingeladen. Thema des Abends war: US-Klimapolitik nach einem heißen Sommer – von "Yes We Can" zu "Sorry – we tried"?

Nach dem langen kalten Winter der Bush-Jahre und dem Frühling der ersten Obama-Monate scheint die US-amerikanische Klimapolitik auf Bundesebene festzustecken. Zwar wurden verschiedene viel versprechende Anläufe für eine nationale Klimaschutzgesetzgebung unternommen. Aktuell sieht es aber nicht danach aus, dass in absehbarer Zeit ein Gesetz durch den Kongress kommt. Mit den anstehenden Zwischenwahlen Ende 2010 scheint sich zudem das Fenster für eine ambitionierte Klimaschutzpolitik auf föderaler Ebene zu schließen. Gleichzeitig hat die US-Umweltbehörde EPA mit dem Gesetz zur Luftreinhaltung einen starken Hebel, um föderale Maßnahmen voranzutreiben. Die Ölpest im Golf von Mexiko hat die Abhängigkeit Amerikas von fossilen Energien und die damit verbundenen Risiken deutlich vor Augen geführt. Und schließlich mehren sich die Stimmen aus der Wirtschaft, die im Klimaschutz ein riesiges Geschäftsfeld sehen, und die darauf drängen, dass die US-Wirtschaft in Bereichen wie erneuerbare Energien, Elektromobilität oder intelligenten Stromnetzen nicht den Anschluss gegenüber Europa und Japan verliert. Was also ist in der Klima- und Energiepolitik von den USA mittelfristig zu erwarten?

Die einleitenden Impulsreferate hielten Michael Mehling (Ecologic Institute, Washington, DC), Miranda Schreurs (Forschungsstelle für Umweltpolitik und Sachverständigenrat für Umweltfragen) sowie David Wortmann (First Solar).

Michael Mehling gab einen Überblick zum Stand der US-amerikanischen Klimapolitik. Er betonte die klimapolitische Bedeutung der USA in den internationalen Klimaverhandlungen als größte Wirtschaftsmacht und einen der größten CO2-Emittenten. Maßgeblich für das Auftreten der USA in den internationalen Verhandlungen sind die innenpolitischen Entwicklungen, auf die Michael Mehling in seinem Vortrag den Schwerpunkt legte. Er erinnerte an die hohen (und vielleicht überhöhten) Erwartungen nach der Amtsübernahme durch Präsident Obama: nach acht Jahren des klimapolitischen Stillstandes in den USA wiesen alle Vorzeichen darauf hin, dass die USA schließlich eine ambitionierte Klimapolitik verfolgen würden. Obama verkündete bereits im Wahlkampf anspruchsvolle Ziele, z.B. den Treibhausgasausstoß der Vereinigten Staaten bis 2020 auf den Stand von 1990 zu verringern. Überdies versprach er, mit den Handlungsbefugnissen der Exekutive nach 18 Monaten Amtszeit eine nachhaltige Energiewende einzuleiten, sollte der Kongress bis dahin kein entsprechendes Gesetz erlassen haben. Auch die Kabinettsbesetzung und die Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus und Senat waren vielversprechend. Im Juni 2009 wurde im Repräsentantenhaus sogar ein ehrgeiziger Entwurf für ein Klimagesetz verabschiedet, der "Clean Energy and Security Act of 2009". Der nach der amerikanischen Gesetzgebungsverfahren notwendige Gegenentwurf des Senats konnte jedoch nicht verabschiedet werden. Nach mehrfachen Anläufen wird nun, kurz vor den Zwischenwahlen im November 2010, die Verabschiedung eines ambitionierten Gesetzespakets nicht mehr erwartet.

Es gab und gibt jedoch andere bemerkenswerte Vorstöße. Dazu gehört das im Februar 2009 erlassene Konjunkturpaket, welches 10% der Mittel für den Umwelt- und Energiebereich vorsieht und damit einen wichtigen Impuls für die Förderung eines nachhaltigen Wirtschafts- und Energiesystems darstellt. Nachdem der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten im April 2007 die Zuständigkeit der Umweltbehörde EPA betreffend der Regelung von Treibhausgasemissionen festgestellt hatte, leitete die EPA einige weitreichende Maßnahmen auf Grundlage des Clean Air Acts ein. U.a. sind CO2-Emittenten nun durch eine Regelung der EPA verpflichtet, über ihre CO2-Emissionen zu berichten. Zusammen mit dem Verkehrsministerium hat die EPA neue Anforderungen an den Treibstoffverbrauch sowie an den Treibhausgasausstoß von Kraftfahrzeugen eingeführt. Daneben ist noch eine andere umstrittene Regelung zu Treibhausgasemissionen von stationären Anlagen in der Diskussion. Auch wenn diese Ansätze zeigen, dass auf Grundlage vorhandener Gesetze Klimaschutz möglich ist, läuft die EPA Gefahr, neue Widerstände zu erzeugen. So wurde sie bereits kritisiert, mit dem Erlass zahlreicher Rechtsverordnung die Rechte der Legislative zu beschneiden. Wenn damit also immerhin einige Ansätze für eine föderale Klimapolitik der USA ersichtlich sind, ist schwer abzusehen, ob politische oder gerichtliche Vorstöße eine weitere und weitreichendere Umsetzung begrenzen werden.

Miranda Schreurs bestätigte die derzeit pessimistischen Aussichten für ein größeres US-Engagement in der Klimapolitik und gab einen Überblick über das klimapolitische Engagement jenseits der föderalen Ebene. Dazu gehört insbesondere die Western Climate Initiative, welche auf regionaler Ebene einen Emissionshandel ab 2012 einführen will. Ob dieser Plan zu Stande kommt, hängt jedoch vom Ausgang der anstehenden Wahlen in Kalifornien ab. Außerdem gibt es einige klimapolitisch relevante kommunale Initiativen. Dazu gehört unter anderem die vom Bürgermeister von Seattle ins Leben gerufene Initiative "U.S. Conference of Mayors Climate Protection Agreement", im Rahmen derer sich mehr als hundert amerikanische Kommunen selbst zu Klima- und Energiezielen verpflichtet haben. Daneben befassen sich viele zivilgesellschaftliche Initiativen mit dem Thema Klima, wie Universitäten und NGOs. Miranda Schreurs stellte zudem fest, dass der "spin" Obamas, die Klimapolitik mit "green jobs" zu verbinden und somit besser zu verkaufen, nicht funktioniert hat. Auch hat das Ölleck im Golf von Mexiko zu keiner breiten Debatte über erneuerbare Energien in den USA geführt.

David Wortmann lieferte eine Sicht aus der Wirtschaft zur Debatte. First Solar ist einer der weltweit größten Hersteller von Solartechnik und z.B. mit je 1000 Mitarbeitern in den USA und Europa sowie 2000 in Asien global aufgestellt. Aus seiner Sicht hängt der Ausbau erneuerbarer Energien nach wie vor von den politischen Rahmenbedingungen ab. So ist die Planung und der Bau von Solaranlagen in den USA im Vergleich zu Deutschland nicht nur administrativ komplizierter und langwieriger; zudem fehlt es an einer langfristigen Investitionssicherheit, wie sie in Deutschland das EEG liefert. Immerhin wächst auch in den USA die Nachfrage nach erneuerbaren Energien. Gerade durch das Konjunkturpaket der Obama Regierung ergeben sich lukrative Möglichkeiten für deren Ausbau. Daneben gibt es auf bundesstaatlicher Ebene viele ambitionierte gesetzliche Standards für erneuerbare Energien (Renewable Portfolio Standards). Zwar mangelt es an einer förderalen Klimagesetzgebung, jedoch machen die Gesamtheit kleinerer Programme die USA zu einem interessanten Geschäftsfeld mit einem guten Geschäftsklima. Die Schwächen des amerikanischen Marktes seien vor allem bestehende Unsicherheiten aufgrund der Finanzkrise.

In der anschließenden Diskussion wurde vor allem erörtert, weshalb die USA sich so schwer tun, in der Klimapolitik zu Fortschritten zu kommen. Eine große Rolle spielt dabei nach Ansicht der Redner die öffentliche Debatte. Die Öffentlichkeit ist zu einem großen Teil skeptisch, ob der Klimawandel tatsächlich stattfindet. Dies wurde instrumentalisiert durch den jüngsten Datenskandal beim IPCC ("Climategate"), die oft unsachliche Debatte in den Medien und die generelle Skepsis der US-Amerikaner gegenüber staatlicher Einmischung. Darüber hinaus wurde diskutiert, welches die richtige Ebene wäre, um die US-Klimapolitik zu beeinflussen. Auf die internationale Ebene sollte nach Ansicht einiger Teilnehmer keine zu großen Hoffnungen gelegt werden, vor allem da die USA in der Vergangenheit weder das Kyoto Protokoll noch andere wichtige internationale Umweltabkommen ratifiziert haben. Vielversprechender seien derzeit bottom-up-Ansätze – einerseits durch zivilgesellschaftliche Initiativen, die klimapolitisch bereits sehr aktiv sind, aber auch durch bestimmte Teile der Wirtschaft.

Aus Sicht Deutschlands empfiehlt es sich, den Austausch mit Initiativen jenseits der föderalen Ebene zu suchen und fortzuführen, etwa auf der Ebene der Bundesstaaten und der Kommunen. Diese Initiativen sind häufig selbst im eigenen Land isoliert, und können daher von Vernetzung mit dem Ausland profitieren. In den internationalen Klimaverhandlungen ist es fraglich, ob Deutschland abwarten sollte, ob die USA dereinst in der Lage sein werden eine Führungsrolle zu übernehmen. Alternativ sollte Deutschland hier nach anderen Verbündeten auf internationaler Ebene suchen – etwa im Kreis der großen Schwellenländer.

Nach der Veranstaltung wurde die angeregte Diskussion in entspannter Atmosphäre in einem nahegelegenen Restaurant fortgesetzt.

Kontakt

veranstaltet von
Aktive Rolle
Miranda Schreurs (Sachverständigenrat für Umweltfragen)
David Wortmann (First Solar GmbH)
Team
Datum
Ort
Berlin, Deutschland
Sprache
Deutsch
Participants
30
Schlüsselwörter
Klimawandel, Außenpolitik, Obama, Lieberman-Warner, Waxman-Markey, Western Climate Initiative, Klimainitiative, Europa, USA, Amerika